Gesammelte Werke
abstoßend. Aber der Gedanke, daß es geschehen müsse – sie wußte durchaus nicht, wie er hergekommen war – ... furchtbare Anziehungskraft. Sie fand wenig Überlegung mehr in sich vor ... Unvermögen[?]... nichts als die Idee ... töten, und diese bloß in der Form dieses Satzes ... Leere.
Sie wollte ihre Angelegenheiten ordnen; sie hatte keine. Ich hinterlasse niemand ... auch Ulrich ... sie tat sich sehr leid. Der Puls am Handgelenk floß wie Weinen.
Ulrich war doch zu beneiden, wenn er kämpft und arbeitet. Er ist doch wunderbar, so wie er ist!
Aber die Souveränität des Entschlusses beruhigte sie. Auch sie hatte etwas voraus. Wer das zu tun vermag ... Sie fühlte die wunderbare Einsamkeit, mit der sie geboren war.
Und als sie das Pulver in das Glas geschüttet hatte, war die Möglichkeit der Umkehr vorbei, denn nun hatte sie ihren Talisman eingesetzt (wie die Biene, die nur einmal stechen kann).
Plötzlich hörte sie vor der Zeit Ulrichs Schritte. Sie hätte das Glas rasch hinunterstürzen können. Aber als sie ihn hörte, wollte sie ihn auch noch einmal sehen. Sie hätte danach aufspringen und ... hinunterstürzen können. Sie hätte etwas Gebieterisches sagen und sich damit aus dem Leben zurückziehen können. Sie blickte ihn aber ratlos an, und er merkte in ihrem Gesicht die Zerstörung. Er sah das Glas; er fragte nicht. Er begriff nicht; der Funke der Erregung sprang unmittelbar auf ihn über. Er nahm das Glas und fragte: «Reicht es für beide?» Agathe riß es ihm aus der Hand – mit dem Ausruf ...: «Wir werden uns nicht töten, ehe wir nicht alles versucht haben!» schloß er sie in die Arme.
Oder: kein Wort, eine Handlung, ein Geschehen! Er bricht zusammen oder dergleichen. Entsetzt über das, was er angerichtet hat!
Besser: Ulrichs Abneigung gegen Defekt. Selbstmord. Schließlich aber: man kann nichts gutmachen, sondern nur besser. Darum ist Reue[?] leidenschaftlich. Bei beiden. Plötzlich kommt einer darauf und lacht.
Ich habe beschlossen. Probejahr ... mich töten ...
Glaube darf nur eine Stunde alt sein ...
Das ist der Beschluß, der nun Hals über Kopf ausgeführt wird. Das hieße aber doch auch mehr oder weniger Reise zu Gott.
–– Motive des Entschlusses — —: Es ist unser Schicksal: Wir lieben vielleicht, was verboten ist. Wir werden uns aber nicht töten, ehe wir nicht das Äußerste versucht haben. Die Welt ist flüchtig und flüssig: tu, was du willst! Wir stehen ohnmächtig einer vollendet unvollendeten Welt gegenüber. Die andren haben auch alles, was in uns ist, bloß unmerklich verschoben. Sie bleiben gesund und idealistisch, wir kommen an den Rand des Verbrechens.
Einsamkeit: Gläubige Menschen hadern dann mit Gott, ungläubige lernen ihn da erst kennen. Es steckt keine Notwendigkeit dahinter. Diese Welt ist nur einer von ... Versuchen. Gott gibt Teillösungen, das sind die schöpferischen Menschen, sie widersprechen einander, die Welt bildet daraus immer wieder eine relative Totale, die keiner Lösung entspricht. In diese Form der Welt werde ich wie flüssiges Erz gegossen: deshalb bin ich nie ganz das, was ich tue und denke: eine versuchte Gestalt in einer versuchten Gestalt der Gesamtheit. Man darf nicht auf die schlechten Meister hören, die nach Gottes Plan wie für die Ewigkeit eines seiner Leben errichtet haben, sondern muß sich demütig und trotzig ihm selbst anvertrauen. Ohne Überlegung handeln, denn ein Mann kommt nie weiter, als wenn er nicht weiß, wohin er geht. (Das ist Agathes Einfluß! ––––– Erzählerisch: Vielleicht Ulrich überlegt es in Pause, so daß am Ende keine Reflexionen stehn.)
Über allem ein Hauch von Stella-Moral –––––. Ist mehr als Stimmung und Zustand denn als Gedanke zu beschreiben. Hätten sie nun getan, was sie fühlten, so wäre in einer Stunde alles vorbei gewesen, so aber ... Lebenstraurigkeit; sich nicht wehren können, weil ... und so weiter. Gift als Stütze. Vertrauen, daß diese Welt, in der sie sich unvollkommen fühlt, nicht die einzige ist.
Worauf beruht die Entscheidung? Worauf Agathes Selbstmordversuch?... Agathe fragt: Was soll werden? und Ulrich gibt Antworten ... Eigentlich müßte Ulrich – im Sinne von Schleiermachers moralischer Indifferenz des Religiösen – antworten, daß der «andere Zustand» keine Vorschriften für das praktische Leben gebe. Du kannst heiraten, leben, wie du willst und so weiter. Auch die Utopien sind ja zu keinem praktikablen Ergebnis gekommen. Ungefähr ist das
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