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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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rosa und grünen Seidenhemden kamen ihm unvergleichlich eleganter vor als die soliden Hemden seiner Frau. Ihre körperliche Gleichgültigkeit war ihm nichts Neues. Daß sie eine Monatsgeliebte war, ekelte ihn nicht, im Gegenteil, es schmeichelte ihm, der Nachfolger hochgeborener Männer zu sein, und verschmolz in seinem Bewußtsein mit Leonas Vorliebe für Leckerbissen. Es kam dazu, daß Leonas Schönheit etwas Altmodisches hatte; die Frauenbilder, zu denen er als Knabe mit dem trüben Feuer der ersten Empfindungen aufgeblickt hatte, hatten so ausgesehen, und wenn sich Leonas vollgegessener Körper aus den Kleidern wickelte, war ihm wie beim Einzug in ein Träumeland zumute. Mit einem Wort, er war so glücklich, wie ein Mann nur sein kann, denn ein Mann ist nie so glücklich, wie wenn es ihm gelingt, sich so zu benehmen, wie er es sich als Knabe gewünscht hat, und das machte Fischel zu einem liebenswürdigeren Gatten und Vater, als er es vordem gewesen war. Es erzog ihn aber auch zu einem Verhalten gegen sich selbst, das man als größere Gewissenhaftigkeit bezeichnen muß. Schon wenn ein Mann nach jahrelanger Treue die Vorbereitungen zum ersten Ehebruch trifft, ist das, wie wenn ein altes Schiff neu gestrichen und getakelt wird. Was gibt es da nicht alles zu bemerken und zu verbessern, von den vernachlässigten Zehen angefangen bis zur Krawatte, die keine schäbige Stelle haben darf, die man beim Binden kunstvoll verschwinden läßt! Da gibt es keine geflickten Hemden und gestopften Socken, die das Bild der Treue sind, sondern ein Mann auf Abwegen ist immer proper und überlegt bis ins kleinste.
    Als Leo Fischel die neuen Eigenschaften natürlich geworden waren, lichtete sich übrigens der Glanz ein wenig, mit dem ihn Leona geblendet hatte. Der Begriff Leo und Leona war jetzt nicht mehr ein Glücksstrahl, der in Fischels Seele fiel, sondern nur noch ein Stück in einer vornehmen Herrengarderobe. Fischel nahm sich Leonas Finanzen an, indem er ihre Einnahmen während des letzten Jahres nachrechnete und ihr bewies, daß sie unkaufmännisch gewirtschaftet habe und elend verkommen werde, wenn sie nicht rechtzeitig lerne, mit kleineren Beträgen auszukommen. Leona ließ sich dies lange Zeit gefallen, weil ihre Faulheit vor einem Wechsel zurückschreckte und Fischel wenigstens an ihren gastronomischen Neigungen wie einem überkommenden Erbstück nicht rührte, aber zum erstenmal dämmerte ihr, daß sie gefallen sei. Fischel wandte sein Geld indes neuen Aufgaben zu. «Gerda!» sagte er zu seiner ungebärdigen Tochter. «Du hast durch meine Anstrengungen viel Geld, wenn du heiraten willst. Du kannst dir jeden Mann aussuchen!» Aber Gerda, die dem gütigen Tonfall ihres Vaters nicht mit einem Angriff wegen Hans begegnen wollte, antwortete jedesmal bloß: «Danke, Papa, man muß nicht heiraten!» Da war es dann leichter, ein Wort über die Verrücktheit der Welt zu unterdrücken, wenn Leo daran dachte, daß ihn abends Leona erwarte und er vorher eine Ausrede ersinnen müsse. Es schien ihm auf diese Weise, daß Gerda netter und nachgiebiger geworden sei, und daß man nicht ganz so viel sich über sie ärgern müsse wie früher.
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100
    Werden eines Tatmenschen. Fortsetzung
    Ulrich hatte das schlechte Gewissen zu Gerda getrieben; seit jenem traurigen Auftritt zwischen ihnen hatte er nichts von ihr gehört und wußte nicht, wie sie mit ihrem Zustand fertig geworden sei. Zu seiner Überraschung traf er bei Fischels Papa Leo an; Mama Klementine war mit Gerda ausgegangen. Leo Fischel ließ Ulrich nicht fort; er war selbst ins Vorzimmer herausgeeilt, als er seine Stimme erkannte. Ulrich hatte das Gefühl von Veränderungen. Direktor Fischel schien den Schneider gewechselt zu haben; sein Einkommen mußte größer und seine Gesinnung weniger groß geworden sein. Auch war er sonst immer länger in der Bank geblieben; er arbeitete niemals zuhause, seit die Luft dort so unerfreulich geworden war. Heute aber schien er an seinem Schreibtisch gesessen zu haben, obgleich dieser «sausende Webstuhl der Zeit» seit Jahren unbenutzt war; ein Paket Briefe lag auf dem grünen Tuch, und das vernickelte Telefon, das sonst nur den Damen diente, stand schief, als sei es eben in Gebrauch gewesen. Nachdem Ulrich Platz genommen hatte, drehte sich ihm Fischel mit dem Schreibtischsessel zu und polierte sein Glas mit einem Taschentuch, das er aus der Brusttasche zog, obgleich er früher bestimmt gegen solche Geckerei eingewandt hätte, daß es einem

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