Gesammelte Werke
es nach unserer Auffassung wäre.
Es ist hier vielleicht die Übereinstimmung der psychoanalytischen Methode mit den Hauptergebnissen unserer transzendentalen Untersuchung noch nicht völlig einsichtig; sie ganz zu verifizieren, bedarf es eben der näheren Betrachtung der Psychoanalyse. Allein bereits was bislang von der Psychoanalyse ausgesagt wurde, läßt deutlich die Tendenzen erkennen, die wir vorgreifend erkenntnistheoretisch zusammenfaßten. Die psychoanalytische Bestimmung, daß »alles Psychische einen Sinn habe«, konsequent im Sinne der Transzendentalphilosophie weitergedacht, bietet bereits den Ansatz all der Bestimmungen, die wir soeben formulierten. Es wird sich zeigen, daß sie in der Tat allesamt in der psychoanalytischen Methode konstitutive Bedeutung haben.
Wir verkennen keineswegs die
Schwierigkeiten
unseres Beginnens. Die Begriffe, die im Zentrum unserer Untersuchung stehen, kommen in der Psychoanalyse entweder gar nicht vor – was nicht gar so bedenklich ist, da wir bei der erkenntnistheoretischen Betrachtung der psychoanalytischen Sachverhalte von selbst auf jene Begriffe stoßen –, oder sie kommen als
Hilfshypothesen
vor, die allein erkenntnispraktisch gewogen werden, deren philosophische Legitimität dem Psychoanalytiker gleichgültig ist und die denn oft genug mit Unklarheiten aller Art, dogmatischen Voraussetzungen und Naturalismen behaftet sind. Es wird unsere Aufgabe sein, nicht allein interpretativ die transzendentalphilosophische Bedeutung der Psychoanalyse herauszuarbeiten, sondern auch gegenüber den psychoanalytischen Hilfshypothesen Kritik zu treiben und die Unklarheiten jener Hypothesen zu beseitigen. Sollte unsere Auffassung der psychoanalytischen Methode insgesamt zu Recht bestehen, so muß sich ergeben, daß sich die erkenntniskritischen Korrekturen vollziehen lassen, ohne daß die Methode selbst prinzipiell angegriffen würde.
Wenn wir unsere Betrachtung und Interpretation der Psychoanalyse ausschließlich an Sigmund Freud orientieren, so hat das seinen Grund nicht allein in dem Respekt vor der zeitlichen Priorität jenes Forschers. Ohne daß wir uns in die internen Streitigkeiten der psychoanalytischen Diskussion einlassen möchten, glauben wir uns zu der Überzeugung berechtigt, daß die Arbeiten Freuds und seiner engeren Schule unserer erkenntnistheoretischen Überzeugung weit angemessener sind als die der anderen psychoanalytischen Richtungen; daß sie sich von metaphysischer Willkür weit ferner halten als etwa die Theorien von Jung und Adler, die sich der Charakterologie nähern und allein auf Grund unserer allgemeinen Bedenken gegen die Charakterologie für unsere erkenntnistheoretische Interpretation kaum in Betracht kommen. Zudem will es uns scheinen, als ob die undogmatischere Fassung der Voraussetzungen Freuds auch in einer größeren immanenten Stimmigkeit seiner Theorie zum Ausdruck komme. Wir glauben darum, getrost von einer Diskussion der anderen psychoanalytischen Theorien absehen zu dürfen; zumal es uns ja keineswegs auf die Gewinnung vollständigen Materials, sondern allein auf den sachlichen Nachweis einer inhaltlichen Erkenntnis der unbewußten Tatbestände ankommt. Aus dem gleichen Grunde verzichten wir auch auf eine Diskussion der Einwände, die in allerjüngster Zeit von der Gestalttheorie erhoben worden sind und die sich jeder, der die phänomenalistische, der Analyse von Sukzessionen entgegengesetzte Tendenz der Gestalttheorie kennt, ohne weiteres rekonstruieren kann. Nur ein Punkt sei da herausgegriffen, der erkenntnistheoretisch von Wichtigkeit ist und unsere Bestimmung des Seelendinges betrifft. Die Gestalttheorie wirft der Psychoanalyse vor, daß sie die Triebe »verdingliche«, während in Wahrheit die Phänomene nur
funktional
zu deuten seien. Diese Auffassung der psychoanalytischen Trieblehre ist allein dann möglich, wenn man sie
naturalistisch
versteht, wozu allerdings, was nicht geleugnet sein soll, manche Psychoanalytiker Anlaß gaben. Faßt man aber, wie es im Sinne unserer Fassung des Begriffs des Unbewußten und gewiß auch im Sinne der vorsichtigen Bestimmungen Freuds ist, die Triebe als »Dispositionen«, als Abbreviaturen gesetzmäßiger Zusammenhänge des Psychischen auf, so ist nicht einzusehen, was gegen eine Verdinglichung vorzubringen wäre; dingliches Sein selber ist uns ja, und dies freilich in scharfem Gegensatz zur bisherigen Gestalttheorie, ein Funktionsbegriff. Nach der psychoanalytischen und nach unserer Auffassung
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