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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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sind die Triebe keineswegs Absoluta, letzte Ursprünge, keineswegs auch unveränderlich; Freuds Theorie der »psychischen Dynamik« allein schon bezieht sie umfassend in den Zusammenhang des Bewußtseinsverlaufs ein. Wir haben keinen Grund, den psychischen Dingbegriff des Triebes aus unserer Betrachtung auszuschließen.
    Wir folgen in unserer weiteren Behandlung der Psychoanalyse, wie bisher, der zusammenfassenden Darstellung, die Freud in seinen »Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse« von seiner Lehre gegeben hat; einer Darstellung, die alle wesentlichen Elemente der psychoanalytischen Erkenntnis in sich enthält, ohne mit allzuvielen Details belastet zu sein; und die darum die methodischen Grundzüge besonders deutlich aufweist. Es ist uns bei unserer Darstellung der psychoanalytischen Erkenntnis des Unbewußten nicht um die getreue Reproduktion des Freudischen Gedankenganges zu tun, sondern um die klare Herausarbeitung der Teile und Gesetzmäßigkeiten der psychoanalytischen Theorie, die der erkenntnistheoretischen Interpretation zugänglich sind. Wir meinen uns darum berechtigt, auf die Wiedergabe der Gedankengänge zu verzichten, die allein aus den besonderen Verhältnissen der Pathologie und Therapie sich ergeben; auch Freuds Theorien der Fehlleistung und des Traumes sollen nicht etwa vollständig referiert werden. Freilich werden wir uns, um die Darstellung verständlich zu erhalten, bisweilen genötigt sehen, Beispiele aus jenen speziellen Sachgebieten heranzuziehen. Im Sinne unserer erkenntniskritischen Absicht, die von allgemeinsten transzendentalen Sätzen ausgeht, gestatten wir uns manche Umstellungen des Materials.
     
2. Die psychoanalytische Erkenntnis des Unbewußten
     
    Die Psychoanalyse, ihrem Ursprung nach, wie gesagt, Therapie, geht aus von der Unmöglichkeit, mit den Mitteln der bisherigen Psychologie und ihrer Hilfsdisziplinen das Auftreten der Symptome zu begründen, die die Psychiatrie die neurotischen nennt. Die seelischen Störungen vermochte in weitem Umfang die Psychiatrie nicht zu erklären. »Die Symptome, welche diese Krankheitsbilder zusammensetzen, sind nach ihrer Herkunft, ihrem Mechanismus und in ihrer gegenseitigen Verknüpfung unerkannt; es entsprechen ihnen entweder keine nachweisbaren Veränderungen des anatomischen Organs der Seele, oder solche, aus denen sie eine Aufklärung nicht finden können.« (Vorl., 8) Zugleich ist sich die psychoanalytische Forschung klar darüber, daß die Annahme eines »psychophysischen Parallelismus« keine
Erklärung
jener Störungen bedeutet, da dieser Parallelismus, »soweit damit nur« der »Zusammenhang der
Empfindungen
mit physischen Vorgängen getroffen werden soll, die selbstverständliche Folge der Erfahrungen« ist, »welche uns zum Begriffe der physischen Welt und ihrer Zusammenhänge führen« 23 . Die erkenntnistheoretische Unmöglichkeit, den psychophysischen Parallelismus, der als solcher keineswegs geleugnet zu werden braucht, als allseitiges Erklärungsprinzip der psychischen Tatsachen anzuwenden, formuliert Freud im Sinne der empirischen Wissenschaft: »Weder die spekulative Philosophie noch die deskriptive Psychologie oder die an die Sinnesphysiologie anschließende sogenannte experimentelle Psychologie, wie sie in den Schulen gelehrt werden, sind imstande, ... über die Beziehung zwischen dem Körperlichen und Seelischen etwas Brauchbares zu sagen, und ... die Schlüssel zum Verständnis einer möglichen Störung der seelischen Funktionen« (Vorl., 8) zu gewinnen.
    Damit ist der Angriffspunkt der Psychoanalyse bezeichnet. »Sie will der Psychiatrie die vermißte psychologische Grundlage geben«, – nicht allein der Psychiatrie, dürfen wir hinzufügen –, »sie hofft, den gemeinsamen Boden aufzudecken, von dem aus das Zusammentreffen körperlicher mit seelischer Störung verständlich wird. Zu diesem Zweck muß sie sich von jeder ihr fremden Voraussetzung anatomischer, chemischer oder physiologischer Natur frei halten, durchaus mit rein psychologischen Hilfsbegriffen arbeiten.« (Vorl., 8) Mit anderen Worten: um die unerklärten Phänomene in den Immanenzzusammenhang des persönlichen Bewußtseins einzuordnen, muß sie von ihrer Betrachtung alle dogmatischen Transzendenzen, auch wenn sie als solche bereits entwickelten Wissenschaften angehören und erst durch ihre Beziehung auf die psychischen Tatbestände zu Transzendenzen werden, ausschließen und an ihrer Stelle mit rein immanenten, dem gesetzmäßigen

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