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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Zusammengehörigkeit die Sprache kennzeichnet, indem sie ihnen allen die Vorsilbe »ver-« gibt; ihnen rechnet zu das Sichversprechen, -verlesen, -verhören; weiter eine Reihe von Erscheinungen, die »ein Vergessen zur Grundlage« haben, und zwar ein nur
zeitweiliges
Vergessen, etwa eines Eigennamens oder eines Vorsatzes, der mir später wieder einfällt. Endlich rechnet Freud zu den Fehlleistungen das Verlegen und Verlieren eines Gegenstandes und eine gewisse Art komplizierter Irrtümer, die hier außer Betracht bleiben mag. Diese Phänomene gelten nach landläufiger Auffassung als
zufällig,
ein gesetzmäßiger Grund für ihr Eintreten wird nicht angegeben; höchstens werden Bedingungen aufgeführt, unter denen sich jene Phänomene gemeinhin einstellen; etwa Unwohlsein oder Ermüdung; Aufregung, Ablenkung des Fehlleistenden durch andere Vorgänge. Diese Bedingungen sind, um einen wichtigen Zusammenhang des gesamten psychoanalytischen Stoffgebietes vorwegzunehmen, ähnlicher Art wie etwa die Verweise auf hereditäre Belastung, mit denen der Psychiater auf unsere Frage nach dem Grund psychischer Erkrankungen zu antworten pflegt. Sie genügen nicht zur Erkenntnis des Grundes der Fehlleistungen; über deren Stellung im Zusammenhang des Bewußtseins machen sie nichts aus. Einmal kommen Fehlleistungen aller Art auch bei solchen Personen vor, bei denen keine jener Bedingungen erfüllt ist. Dann aber ist die Beziehung zwischen der Fehlleistung und mangelnder
Aufmerksamkeit,
die mit der Annahme jener Bedingungen überall stillschweigend vorausgesetzt ist, nicht allgemein zuzugeben. Es widerspricht jener Beziehung gerade die Sicherheit, mit der wir weitgehend
automatisierte
Handlungen gemeinhin ausführen; es ist nur an die Leistung des musikalischen Virtuosen zu erinnern, der nach jenem Erklärungsprinzip Fehlleistungen in ganz besonders hohem Maß ausgesetzt sein müßte, während sie gerade bei ihm am seltensten sind. Man hat darum, soweit man sich überhaupt um die Fehlleistungen kümmerte, den Versuch gemacht, sie mit Hilfe der Assoziationsgesetze der herkömmlichen Psychologie zu erklären. Das ließ sich allerdings nur im Bereich des Versprechens durchführen. Dort nahm man in der Tat Berührungs-und Ähnlichkeitsassoziationen an und führte auch bei den Fällen, in denen man sich zum genauen Gegenteil des Beabsichtigten verspricht, Assoziation auf Grund der »begrifflichen Verwandtschaft der Gegensätze mit einander« an. Die Rolle, die die Wortassoziationen beim Zustandekommen der Fehlleistungen spielen, wird von der Psychoanalyse nicht bestritten. Aber sie begnügt sich nicht mit ihrer Konstatierung, die zwar eine Möglichkeit der Erklärung dafür bietet, von welchen Momenten der Mechanismus der Fehlleistungen abhängig ist, aber keineswegs ergibt, warum jetzt und hier gerade diese Fehlleistung eintritt; also die Zufälligkeit jener Tatbestände nicht durch ihre Einordnung in den Bewußtseinsverlauf überwindet. Immerhin dankt die Psychoanalyse der Assoziationstheorie einen wichtigen Hinweis. Die Assoziationstheorie zieht wenigstens die Fehlleistungen selbst ins Feld ihrer Betrachtung, anstatt vage deren Bedingungen aufzuführen; rekurriert also auf die Gegebenheit. Diesen Rekurs vollzieht die Psychoanalyse prinzipiell und energisch. Wenn alles Bewußtsein »einen Sinn hat«, wenn alle Erlebnisse auf den Bewußtseinszusammenhang in seiner Ganzheit bezogen sind, so müssen auch die Fehlleistungen einen Sinn haben. Diesen Sinn trachtet die Psychoanalyse zu ergründen. Sie tut es, indem sie die Fehlleistungen zunächst nicht in Beziehung setzt zu den beabsichtigten Leistungen, die sie störte. Denn wohl mag die Fehlleistung der beabsichtigten ähnlich oder genau konträr sein; warum aber gerade sie anstelle der beabsichtigten trat, das ist ja gerade das Problem, das durch den Rekurs auf die beabsichtigte Leistung nicht gelöst werden kann. Die Psychoanalyse geht also aus von den Fehlleistungen, die für sich bereits einen Sinn haben, womit zunächst nicht mehr behauptet wird, als daß mit ihnen bereits etwas Verständliches – wenn auch zunächst noch nicht im Sinne einer Abhängigkeit vom Bewußtseinszusammenhang des betreffenden Individuums Verständliches – ausgesagt ist. Freud gibt für eine Fehlleistung jener Art folgendes Beispiel. Eine Dame erzählt: »Mein Mann hat den Doktor gefragt, welche Diät er einhalten soll. Der Doktor hat aber gesagt, er braucht keine Diät, er kann essen und trinken,

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