Gesammelte Werke
vorausgesetzt werden, wo die wissenschaftliche Analyse erstmals jenes Bereich angreift.
Die allgemeine Begründung jener Interferenz, als die Freud die Fehlleistung ansieht, hofft er durch die Theorie zu geben, daß nicht nur die gestörte Intention eine
Absicht
war – wovon wir uns ja mühelos überzeugen können, da wir jedesmal, wenn wir eine Fehlleistung begingen, etwas sagen, schreiben usw.
wollten
und dann nicht dazu kamen –, sondern daß auch die störende Intention eine Absicht ist; er nimmt die gestörte Absicht als bewußt, die störende als unbewußt an. Der Begriff der Intention, den wir allein im erkenntnistheoretischen Sinn, als das durch ein Erlebnis mit symbolischer Funktion wenn auch rudimentär
Gemeinte
verstanden, wird bei Freud geradezu im Sinne der ursprünglichen Wortbedeutung der Absicht gebraucht: »Für die meisten unserer Untersuchungen können wir ›Sinn‹ auch durch ›Absicht‹, ›Tendenz‹ ersetzen.« (Vorl., 28) Der Unterschied der Terminologien muß klar festgehalten werden. Zugleich gibt uns Freuds Fassung des Begriffs der Intention einen ersten Einblick in die
dynamische
Struktur der Psychoanalyse. »Wir wollen die Erscheinungen nicht bloß beschreiben und klassifizieren, sondern sie als Anzeichen eines Kräftespiels in der Seele begreifen, als Äußerung von zielstrebigen Tendenzen, die zusammen oder gegeneinander arbeiten. Wir bemühen uns um eine
dynamische Auffassung
der seelischen Erscheinungen. Die wahrgenommenen Phänomene müssen in unserer Auffassung gegen die nur angenommenen Strebungen zurücktreten.« (Vorl., 58) Damit ist ein Mehrfaches, für uns Wichtiges ausgesagt. Einmal ist das Unbewußte zur Wahrnehmung ausdrücklich in den gleichen Gegensatz gerückt, den wir zwischen Seelending und Erlebnis konstituierten. Dann deutet der Terminus »angenommene Strebungen« nicht allein auf den Charakter der Freudschen Dynamik als einer wissenschaftlichen
Theorie,
sondern auch darauf, daß diese Theorie nicht sowohl dogmatisch vorausgesetzt als vielmehr zur Erklärung der Phänomene gebildet wurde. Endlich ist die dynamische Auffassung der seelischen Erscheinungen als
Aufgabe
bezeichnet, wie wir die kausale Verknüpfung der Seelendinge als Aufgabe ansehen müssen; es ist also nicht etwa eine »Triebkausalität« naturalistisch gesetzt. Das alles ist für die erkenntnistheoretische Bewertung der Freudischen Trieblehre, die sich ja an die Deutung des Sinnes als Absicht anschließt, von höchster Wichtigkeit. Freuds (erkenntnistheoretisch genommen) tautologische Redeweise vom »wahrgenommenen Phänomen« braucht uns nicht zu beirren; Freud verwendet eben den Terminus »Phänomen« laxer als wir, etwa als »Tatsache«, nicht in unserem prägnanten Sinne des »Erlebnisses«, den bei ihm erst der Terminus »wahrgenommenes Phänomen« annimmt; wobei Rudimente der Brentanoschen Aktpsychologie im Spiel sein mögen.
Wie versteht nun Freud den Mechanismus der »Absicht«, die die Fehlleistung, und nicht sie allein, verursacht? Es ist bei der Betrachtung von Freuds Auskunft, dem eigentlichen Kernstück der psychoanalytischen Theorie, nochmals daran zu erinnern, daß die Lehre von der Absicht nichts anderes besagt, als die Zugehörigkeit der betrachteten Phänomene zu
psychischen
Zusammenhängen, die Tatsache also, daß sie als Wirkungen der materiellen Welt nicht begriffen werden können; und weiter, daß sie eine bestimmte, gesetzmäßig erfaßbare Stellung im
Zusammenhang
des Bewußtseins einnehmen. Beides bringt Freud ganz unmißverständlich zum Ausdruck: »Es wird ... darauf ankommen, ob die einzelne seelische Äußerung direkt aus körperlichen, organischen, materiellen Einwirkungen hervorgegangen ist, in welchem Falle ihre Untersuchung nicht der Psychologie zufällt, oder ob sie sich zunächst aus anderen seelischen Vorgängen ableitet ... Den letzteren Sachverhalt haben wir im Auge, wenn wir eine Erscheinung als einen seelischen Vorgang bezeichnen, und darum ist es zweckmäßiger, unsere Aussage in die Form zu kleiden: die Erscheinung sei sinnreich, habe einen Sinn. Unter Sinn verstehen wir Bedeutung, Absicht, Tendenz und Stellung in einer Reihe psychischer Zusammenhänge.« (Vorl., 50f.) Prägnanter könnte man auch erkenntnistheoretisch kaum die »psychische Tendenz« als einen gesetzmäßigen Bewußtseinszusammenhang definieren. Freud schreitet zur nächsten Begriffsbestimmung fort, indem er die empirisch gewonnenen Merkmale der störenden »Tendenzen« im festgelegten
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