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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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zugleich
Wissen von früher Gegebenem,
allgemein: »jeder Eindruck von bekannter Beschaffenheit
ist ... zugleich Erinnerungserlebnis«
106 . Die Bedeutung der »symbolischen Funktion« für dingliches Bewußtsein wird von Husserl ganz übersehen. Setzt man sie in Rechnung, so gewinnt die Scheidung von cogitatio und cogitatum sofort einen klaren Sinn: sie wird zur Scheidung von unmittelbarem und mittelbarem Gegebensein. Cogitata können dabei sowohl »allgemeine« Gegenstände (d.h. solche, die »der Einordnung an eine bestimmte Stelle der Zeitreihe ermangeln« 107 ) wie »individuelle« Inhalte (die »stets mit irgendwelcher zeitlichen Bestimmung, in einer zeitlichen
Beziehung des vor oder nach
zu bestimmten anderen individuellen Anhalten gegeben« 108 sind) sein,
»ideale«
und
»reale«
Gegenstände 109 . Den Begriff der »cogitatio« wird man füglich einzuschränken haben auf Erlebnisteile mit symbolischer Funktion. Bezieht man jedoch, wie Husserl, »Wahrnehmung« auf »Wahrgenommenes«, ohne daß man diese Beziehung als Wissen von
früheren Erlebnissen
versteht, so mißversteht man diese Beziehung als Wissen von
transzendenten Dingen,
die doch eben durch die epoxh ausgeschaltet sein sollten.
    Husserls Unterscheidung zwischen dem »reellen Bestand der Wahrnehmung« und ihrem »transzendenten Objekt« 110 läßt die Supposition dinglicher Transzendenz offen hervortreten. Wenn ich »immerfort diesen Tisch sehe«, um ihn herumgehe usw. und »kontinuierlich das Bewußtsein vom leibhaftigen Dasein dieses einen und selben Tisches« habe – woher soll dies Bewußtsein anders stammen als aus dem ausweisenden Zusammenhang meines persönlichen Bewußtseinsverlaufs? Solchen Ausweis aber verachtet Husserl als »zur bloßen
psychologischen Konstitution
« 111 des Gegenstandes gehörig, und muß doch zu eben dieser »psychologischen Konstitution« im nächsten Augenblick seine Zuflucht nehmen, da er, um die Identität des Dinges Tisch zu erklären, das »synthetische Bewußtsein, das die neue Wahrnehmung« – den neuen Eindruck – »mit der Erinnerung verknüpft« 112 , einzuführen sich genötigt sieht. Sogleich indessen gibt er diese Methode wieder preis: »Das wahrgenommene Ding kann sein, ohne wahrgenommen, ohne auch nur potentiell bewußt zu sein ...; und es kann sein, ohne sich zu verändern. Die Wahrnehmung selbst ist aber, was sie ist, im beständigen Fluß des Bewußtseins und selbst ein beständiger Fluß: immerfort wandelt sich das Wahrnehmungs-Jetzt in das sich anschließende Bewußtsein des Soeben-Vergangenen, und zugleich leuchtet ein neues Jetzt auf usw.« 113 Allerdings: wer den Zusammenhang des persönlichen Bewußtseins als punkthaftes »Aufleuchten« von isoliertem, stets neuem Jetzt auffaßt, der muß wohl das »wahrgenommene Ding, das sein kann, ohne wahrgenommen zu werden«, jenseits dieses punktuellen Bewußtseins suchen.
    Damit ist der letzte Grund erreicht, der Husserl zum Ansatz dinglicher Transzendenz zwingt: die Überreste einer
atomistischen
Psychologie sind es (Psychologie in jenem Sinne der Methode zur Feststellung idealgesetzlicher Zusammenhänge gebraucht, in dem auch Husserls Phänomenologie Psychologie genannt werden darf), die die Konstitution des Dinges an sich als des gesetzmäßigen Zusammenhanges der Erscheinungen unmöglich machen. »Wenn eine Mehrheit von Eindrücken als Ganzes wiedererkannt wird, so ist dieses Wiedererkennen des Ganzen nicht etwa auf ein solches seiner
einzelnen Bestandteile
zurückzuführen. In jeder Mehrheit sind vielmehr ... Beschaffenheiten gegeben, welche den einzelnen Teilen der Mehrheit nicht zukommen.« 114 Diese »Gestaltqualitäten« nun haben für den Tatbestand der »Erwartung« 115 fundamentale Bedeutung: die Gestaltqualitäten, durch die die Mehrheit der Teile als zum Zusammenhang
eines
persönlichen Bewußtseins gehörig charakterisiert wird, bezeichnen ja eben die
»von früher her bekannten successiven Complexe«,
in denen auf die im Sinne der ersten Kategorie ähnlichen Inhalte noch andere gefolgt waren. Vernachlässigt man diese Gestaltqualitäten, so wird die Erwartung des Eintretens bestimmter Inhalte als gesetzmäßiger Tatbestand zum Wunder, und jene Erwartung zu erklären, muß man ein transzendentes Korrelat der Eindrücke hypostasieren, die in ihrer Isoliertheit niemals einen bestimmten Erwartungszusammenhang fordern würden 116 .
    Als Frucht atomistischer Psychologie begreift sich auch – wie beigefügt sei – Husserls Scheidung von

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