Gesammelte Werke
gewisser Art immer
zufällige.
« 75 Was in der Dingwelt da sei, sei »prinzipiell
nur präsumtive Wirklichkeit ...;
daß hingegen
Ich selbst,
für den sie da ist (unter Ausschluß dessen, was ›von mir‹ der Dingwelt zurechnet), bzw. daß meine Erlebnisaktualität
absolute
Wirklichkeit ist, durch eine unbedingte, schlechthin unaufhebliche Setzung gegeben« 76 .
»Der Thesis der Welt, die eine ›zufällige‹ ist«,
stehe also
»gegenüber die Thesis meines reinen Ich und Ichlebens, die eine
›notwendige‹,
schlechthin zweifellose ist.
Alles leibhaft gegebene Dingliche kann auch nicht sein, kein leibhaft gegebenes Erlebnis kann auch nicht sein.«
77 Daraus folge, »daß keine aus der Erfahrungsbetrachtung der Welt geschöpften Beweise erdenklich sind, die uns mit absoluter Sicherheit der Weltexistenz vergewisserten« 78 .
Gegenstand phänomenologischer Forschung ist für Husserl das Dingliche allein in seiner Bezogenheit auf das Bewußtsein. »
Was die Dinge sind,
die Dinge, von denen wir allein Aussagen machen, über deren Sein oder Nichtsein, Sosein oder Anderssein wir allein streiten und uns vernünftig entscheiden können, das
sind sie als Dinge der Erfahrung.
« 79 »Man darf sich ... durch die Rede von der Transzendenz des Dinges gegenüber dem Bewußtsein oder von seinem ›An-sich-sein‹ nicht täuschen lassen. Der echte Begriff der Transzendenz des Dinglichen, der das Maß aller vernünftigen Aussagen über Transzendenz ist, ist doch selbst nirgendwoher zu schöpfen, es sei denn aus dem eigenen Wesensgehalte der Wahrnehmung, bzw. der bestimmt
gearteten
Zusammenhänge, die wir ausweisende Erfahrung nennen.« 80
»Niemals ist ein an sich seiender Gegenstand ein solcher, den Bewußtsein und Bewußtseins-Ich nichts anginge.«
81 Dagegen werde
»das Sein des Bewußtseins ... durch eine Vernichtung der Dingwelt zwar notwendig modifiziert,
aber in seiner eigenen Existenz nicht berührt«
82 . Es sei also
»immanentes Sein ... zweifellos in dem Sinne absolutes Sein, daß es prinzipiell nulla ›re‹ indiget ad existendum; andererseits«
aber
»die Welt der transzendenten ›res‹ durchaus auf Bewußtsein, und zwar nicht auf logisch erdachtes, sondern aktuelles angewiesen«
83 . »Zwischen Bewußtsein und Realität gähnt ein wahrer Abgrund des Sinnes. Hier ein sich abschattendes, nie absolut zu gebendes, bloß zufälliges und relatives Sein; dort ein notwendiges und absolutes Sein, prinzipiell nicht durch Abschattung und Erscheinung zu geben.« 84 Damit meint Husserl gerechtfertigt das
»reine Bewußtsein in seinem absoluten Eigensein«
als
»›phänomenologisches Residuum‹«
85 ; zugleich meint er damit beantwortet die Frage, was denn nach radikalem Vollzuge der epoxh übrig bleibe.
Es läßt sich schwerlich etwas dagegen einwenden, daß Husserls Analysen einsetzen bei dem »natürlichen Weltbild«. Die Kritik des natürlichen Weltbildes ist genetisch wenigstens die nächste Aufgabe aller Erkenntnistheorie, nur freilich die Kontrastierung der natürlichen und »reduzierten« Welt nicht eben ein neues Ergebnis der Husserlschen Phänomenologie. Das natürliche Weltbild der Kritik unterziehen aber heißt: es prüfen nach dem Maße dessen, was uns zweifelsfrei gewiß ist, verfolgen, ob es vom Zusammenhang unserer Erlebnisse notwendig gefordert wird. Husserl wendet sich zwar – wie erwähnt 86 – gegen die Forderung des Rückgangs aller Begründung auf die unmittelbaren Vorfindlichkeiten; allein abgesehen davon, daß er diese Forderung durch den Vollzug der phänomenologischen selbst zu erfüllen trachtet, ist sein Einwand deutlich als gegen die naturalistische »Causalerklärung realen psychischen Geschehens« 87 gerichtet zu verstehen. Auch im Sinne von Husserls Untersuchung ist somit zu fordern, daß das natürliche Weltbild letztlich in unmittelbar Bekanntem, d.h. unseren Erlebnissen und deren Zusammenhang, sich ausweise.
Die natürliche Welt ist eine Welt von
Dingen.
Dinge aber sind uns nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar bekannt: Dinge sind nicht Erlebnisse. Die Disjunktion von dinglichem und phänomenalem Sein in klares Licht zu rücken, ist eine der Hauptabsichten der »phänomenologischen Fundamentalbetrachtung«. Den Anspruch aber, wissenschaftlich begründete Einsichten zu gewähren, darf diese Disjunktion nur dann machen, wenn der Aufbau des dinglichen Seins auf dem Grunde des Phänomenalen analysiert wird. Diese Analyse kann sinnvoll allein vollzogen werden, wenn die Existenz von
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