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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Sie gehört einem falschen Bewußtsein an. In der aufgespaltenen Gesellschaft wissen ihre verschiedenen Sektoren nicht, was sie sind, und wissen nicht, was die anderen sind. Der Bruch von Technik und Humanismus selber, wie unheilbar er auch dünkt, ist ein Stück gesellschaftlich produzierten Scheines.
    Ich kann also auch die Frage, ob das Wesen der Maschine oder der Fabrik nur von einem Standort aus entschieden werden kann, der weitab liegt von den Reißbrettern der Ingenieure und der Fabrikhallen, nicht eindeutig entscheiden. Man müßte wohl zugleich an Ort und Stelle und distanziert sein, und das mutet der Phantasie etwas viel zu. Was wir Philosophierenden zu solchen Gegenständen sagen, und das gilt auch für meine eigenen Worte, ist sicherlich zu weit entfernt und hat ein Moment des Unverbindlichen. Umgekehrt ist das, was Sie selber darüber denken, ähnlich wie die Ansichten der Künstler über ihre Werke, oftmals zu befangen im Nahen und zu unreflektiert. Ein Rezept gibt es nicht, und selbst die bestgemeinten Vorschläge stoßen auf Grenzen, wie die des mangelnden Sachverständnisses derer, die sich für Humanisten halten, und der mangelnden Zeit, oft auch einer gewissen Unwilligkeit und eines gewissen Mißtrauens auf der Seite der Techniker. Sie sind geneigt, Denken, das nicht nach verdinglichten Normen verläuft, sondern das verdinglichte Bewußtsein zur Kritik stellt, für vag und phrasenhaft zu halten. Mir will es scheinen, daß am ehesten noch die Selbstbesinnung der Techniker auf ihre Arbeit weiterhilft, und daß der Beitrag, den wir anderen zu leisten haben, nicht der ist, daß wir ihnen von außen oder oben her mit Philosophien der Technik aufwarten, über die sie mit Grund oftmals nur lächeln, sondern daß wir mit unseren begrifflichen Mitteln versuchen, sie zu solcher Selbstbesinnung zu veranlassen. Dem stehen nun wohl auch bei Ihnen gewisse Schwierigkeiten im Wege. Ich nenne nur eine, die nicht so obenan liegt wie manche andere. Auf der einen Seite ist Ihre Arbeit von überaus strengem, rationalem Charakter. Auf der anderen Seite leiden Sie im besonderen Maß unter dem Moment der Einseitigkeit, der Kälte, des Unmenschlichen dieser Rationalität. Daher ist für Sie die Versuchung besonders groß, in all den Bereichen, die nicht unmittelbar solche der technischen Arbeit sind, den Ballast von Vernunft und Kritik abzuwerfen. Aber wir sollten uns nicht damit zufrieden geben, unsere Existenz in eine vernünftige Hälfte, die des Berufs, und eine unverantwortliche, die der freien Zeit, aufzuspalten. Zu dem Problem von Technik und Kultur gehört sicherlich auch, daß die Techniker die Kultur schwerer nehmen, sie nicht als eine Angelegenheit der Entspannung betrachten, vor allem sich nicht mit den Stapelwaren abspeisen lassen, welche die Kulturindustrie uns liefert, und für die der Film erst ein bescheidenes Beispiel ist, während die Greuel des Fernsehens uns erst noch bevorstehen. Ich habe Naturwissenschaftler, Ingenieure und industrielle Organisatoren der größten Kapazität gekannt, die in ihrer Freizeit sich an Büchern von Löns oder Ganghofer erlabten. Ich glaube, sie wären der Kultur näher gewesen, wenn sie, anstatt mit den Surrogaten einer heruntergekommenen Romantik vorlieb zu nehmen, über Ort, Sinn und Zweck dessen, was sie tun und nicht tun, sich Sorgen gemacht hätten. An der heute vorherrschenden Konsumentenkultur ist vieles, was verdient liquidiert zu werden, und was zu liquidieren die Technik alles Recht hätte. Die Forderung des Humanismus darf nicht zur Ausrede für den Muff und das kulturell Rückständige werden. Gerade die fortgeschrittensten Denker und Künstler haben von jenem selbstzufriedenen kulturellen Abhub der Vergangenheit und Gegenwart, mit dem man uns füttert, am energischsten sich losgesagt, und das oft genug – ich erinnere nur an das Bauhaus – im Namen der Technik. Die Techniker selbst sollten darin hinter der Avantgarde, die sie längst beneidet, nicht zurückstehen, sondern ihr helfen.
    Nur ein paar Worte zur Frage der Verantwortung der Techniker. Wenn man dazu etwas anderes beisteuern will als Phrasen, so muß man von der realen Situation ausgehen. In unserer Arbeit sind wir, jeder von uns, in weitem Maße nicht wir selber, sondern Träger von Funktionen, die uns vorgezeichnet sind. Nur in Schundromanen werden große medizinische Erfindungen aus Liebe zu den Menschen gemacht, oder große kriegstechnische aus Patriotismus. Unsere persönlichen Motive, und

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