Gesammelte Werke
Unbestechlichkeit des Gedankens und die Unerschrockenheit im Angesicht der Unmenschlichkeit, die nicht von der Technik herrührt und nicht von den einzelnen Menschen, sondern von der Fatalität dessen, worin wir alle, ein jeder Mensch, auf der ganzen Welt eingespannt sind.
1953
Fußnoten
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Vortrag zum Dies academicus der Technischen Hochschule Karlsruhe am 10. November 1953.
Zum Studium der Philosophie
1. Daß der Philosophie Studierende nicht weiß, womit er beginnen soll; daß er keinen geordneten Studienplan vorfindet; daß pädagogische Kategorien wie die von Anfängern und Fortgeschrittenen so wenig zur Orientierung helfen, ist Anzeichen nicht sowohl mangelnder Organisation und Disziplin des Sachgebiets als Ausdruck dessen, daß Philosophie eigentlich gar kein vorgegebenes Sachgebiet kennt, das aufzubereiten und fortschreitend zu kommunizieren wäre. Nicht nur weichen die historisch auseinanderliegenden und selbst die gleichzeitigen Philosophien derart voneinander ab, daß ihre Präsentation im Lehrsystem unmöglich ist oder auf die dünnste Abstraktion hinausläuft. Sondern die Begriffe selbst, die von der Forderung eines Fortschreitens vom Leichten zum Schwierigen stillschweigend angenommen werden, sind ausnahmslos problematisch: sie unterstehen der philosophischen Kritik. Leichte und schwere Philosophien gibt es überhaupt nicht; dem Ansatz nach leichte, im Vortrag der vertrauten Sprache ähnelnde verbergen zuweilen die äußerste Anstrengung des Gedankens, während umgekehrt gewisse terminologisch verschalte Texte dem leicht zufallen, der einmal das Prinzip begriffen hat. Darüber hinaus präjudiziert die Vorstellung, es müsse von einem Ersten, einfach Gewissen ausgegangen werden, auf dem alles Weitere durchsichtig sich aufbaue, bereits die Entscheidung von Fragen, die einzig in der Philosophie selbst geschlichtet werden können. Vollends der Begriff der Voraussetzungslosigkeit ist ein Phantasma und von keiner Philosophie je eingelöst. Wer sich mit der Philosophie einläßt, muß selbst die Voraussetzungslosigkeit draußen lassen. Scheinbar einleuchtende Maßstäbe wie Klarheit und Deutlichkeit, Lückenlosigkeit der Beweisführung, Zurückführung des Komplexen aufs Elementare, Vollständigkeit und deduktive Geschlossenheit sind nicht umsonst der Niederschlag einer historischen Philosophie, der Cartesianischen Methode. Verläßt man sich blind auf sie, so verbaut man sich bereits die Besinnung über das, worauf es ankäme. Verzicht auf jene Maßstäbe jedoch, die wilde Jagd nach dem Ursprung, verirrt sich erst recht in einer dogmatischen Situation. Alle plausiblen Desiderate, mit denen das unbefangene Bewußtsein in die Philosophie eintritt, gehen davon aus, daß ihr Gegenstand in seiner begrifflichen Ordnung sich erschöpft und daß darum seine Darstellung einer begrifflichen Hierarchie entspricht: eben darüber zu reflektieren ist Sache der Philosophie. Kurz, es geziemt der Philosophie gegenüber nichts anderes, als sich ihr zunächst ohne Autoritätsglauben, aber auch ohne ihr durch starre Ansprüche vorauszueilen, auszuliefern und dabei dennoch des eigenen Gedankens mächtig zu bleiben. Dafür gibt es keine Anweisung, nur allenfalls bescheidene Hinweise.
2. Wer eine Philosophie verstehen will, muß ihr zunächst etwas vorgeben. Bei den Einzelwissenschaften versteht sich das von selbst, unter Philosophie Studierenden neigt gerade der Redliche dazu, diesen Anspruch zu verweigern. Aber es findet sich überhaupt kein Denken, in dem nicht Elemente enthalten wären, die es keineswegs selbst zu begründen oder aufzulösen vermag, oder wenigstens: deren Legitimierung nicht erst am Ganzen und nicht am Eingang geleistet würde; und es ist fragwürdig, ob die Philosophien die wahrsten sind, bei denen die Rechnung am besten aufgeht, die von Widersprüchen freiesten. Konzediert man Kant nicht zunächst einmal, daß eigentliche Erkenntnis solche gesetzmäßiger Zusammenhänge sei und zum Kriterium Allgemeinheit und Notwendigkeit habe, und weiter, daß die mathematischen Naturwissenschaften solche Erkenntnis tatsächlich enthalten, wird man das System nicht erfassen; aber wer es einmal erfaßt hat, wird auch einsehen, warum der gesetzlichen Allgemeinheit jene zentrale Stelle darin zufällt. Das Studium der Philosophie erfordert also eine besondere Art von Geduld: sie öffnet sich nur einem Verständnis, das nicht in jedem Augenblick alles schon zu verstehen beansprucht.
3. Praktisch heißt
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