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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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geworden. Vielleicht hat er nicht einmal mit ganzem Bewußtsein dem sich versagt sondern, weit triftiger, kraft seiner Weise des Reagierens, aus purem Ekel, unfähig zum Mitspielen, wenn dazu ein Mindestmaß an Konzilianz, auch nur edler Tonfall ausgereicht hätte. Indem er nicht zum offiziellen Dichter sich hergab, ist er das geworden, was durchs offizielle Lob bloß erniedrigt wird. Ausgebrochen ist er aus jener abscheulichen deutschen Tradition, welche die geistige Leistung ihrem affirmativen Wesen gleichsetzt. Meine Phantasie ist exakt genug, daß ich mir vorstellen kann, welches Maß an Feindschaft und Rancune er damit auf sich lenkte; einem Menschen seiner Empfindlichkeit muß es kaum erträglich sein. Seit Karl Kraus hat es nichts dergleichen unter deutschen Schriftstellern gegeben. Dem Ausdruck dankbarer Bewunderung füge ich den Wunsch hinzu, die Kraft, die ihn inspirierte, möchte ihn auch vor dem Leiden beschützen, das sein Handeln ihm einträgt, und ihm soviel Glück verschaffen, wie es möglich ist in einem Gesamtzustand, in dem alles individuelle Glück zum Hohn wurde. Hätte einer ein Anrecht darauf, so wäre es Heinrich Böll.
     
    1967
     
     

 
    Othmar H. Sterzinger, Grundlinien der Kunstpsychologie. Band I: Die Sinnenwelt. Graz, Wien, Leipzig: Lyckham-Verlag 1938.
     
    Der Ausdruck »Kunstgenuß« hat heute den Klang des rührend Philiströsen und schrullenhaft Behaglichen angenommen: man kann sich ihn kaum anders mehr denn als Reimwort aus Wilhelm Busch vorstellen. Die kontemplative Beziehung zwischen dem Kunstwerk und seinem seßhaften Betrachter ist so von Grund auf verstört, daß ihre begriffliche Erörterung der Komik verfällt; einer Komik, der der Ärger beigemischt sein mag darüber, daß Kunst eben nicht mehr sich genießen läßt. Das Buch von Sterzinger, »den Freunden der Künste« gewidmet, ist von solchem Schlage. Alles, was der bürgerliche Haushalt des Schönen an Gütern von der Küche bis zum Salon enthält, wird darin durchprobiert und durchgemustert. Die leersten formalistischen Aussagen konvenieren mit den blindesten Anschauungen vom konkreten Kunstwerk. Zu jenen rechnet etwa eine psychologische Charakterisierung der musikalischen Intervalle als solcher, von der Art: »Die Quart ist die Gebärde des Willens«, oder ein Exkurs über die »anschauliche Zahl«: »Mit der Eins sind aber auch allerhand Gefühlswerte und Vorstellungen verknüpft. Was nur in einem Exemplar vorhanden ist oder vorgezeigt wird, gewinnt an Interesse und Bedeutung, kann die Aufmerksamkeit ungeteilt auf sich ziehen und absorbieren; oft ist das, was gewöhnlich nur in einem Stück erblickt wird, auch groß, und infolgedessen sprechen dann auch die mit dem Größeneindruck verbundenen Gefühle und Wertungen leicht an.« – Sterzingers künstlerische Erfahrung manifestiert sich in Weisheiten wie dieser: »Daß auch die Erwachsenen weißer Rasse die ästhetischen Werte der Kleinheit zu schätzen wissen, zeigen nicht nur die verschiedenen Miniaturen der bildenden Kunst, die Nippes, sondern auch die Pflege der Skizze, des Aphorismus, der Ballade in der Literatur, des Melodramas, der Suite in der Musik.« Daß in der Kunst das Phänomen und die Geschichte etwas Wesentliches miteinander zu tun haben könnten, kommt dieser Art Ästhetik nicht bei: »Michelangelo forciert die Sache nicht so wie die Modernen, aber seine plastische Veranlagung bricht überall durch.« Von den »Geschlechtsempfindungen« heißt es tiefsinnig: »Sie können verhältnismäßig isoliert auftreten, etwa bei den Selbstbefriedigungen.« Man glaubt danach dem Autor gern das Bekenntnis: »So tat ich während meiner Hochschulzeit den Ausspruch, man könnte mir von 8 bis 10 Uhr abends ohne Unterbrechung den Marsch ›Auf, in den Kampf, Torero!‹ vorspielen, ich könnte mich daran nicht satt genug hören. Diese Art des Genusses an der Wiederholung verlangt die identische.« Jetzt ist er, der Angabe des Titelblattes zufolge, außerordentlicher Professor an der Universität Graz.
     
    1938
     
     

 
    Donald Brinkmann, Natur und Kunst. Zürich, Leipzig: Rascher 1938.
     
    Brinkmann erhebt den Anspruch, den »ästhetischen Gegenstand« als einen sui generis, als »intentionales Objekt eines ästhetischen Erlebens« aufzuweisen. Die Methode bezeichnet sich als phänomenologisch und ist an Husserl orientiert. Das eigentümlich Phänomenologische wird in der Wendung gegen die Immanenzphilosophie (»Bewußtseinsinhaltstheorie«) und in der

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