Gesammelte Werke
sein politisches Engagement doch für ihn verhängnisvoll. Nach Beginn des spanischen Bürgerkrieges wurde er verhaftet und in Viznar 1936 von der falangefreundlichen ›Guardia Civil‹ erschossen. Gleichwohl gilt er als einer der bedeutendsten spanischen Dichter.« Die Logik, nach der aktive politische Betätigung verleugnet und politisches Engagement bestätigt wird, ist allenfalls ein Nachbild des Denkbereichs »Klatsch und Musik«. Ein Ende jedoch hat die Toleranz dort, wo berichtet wird, der als politisch-unpolitisch Bezeichnete sei von den Falangisten oder ihren Helfershelfern erschossen worden, und, unmittelbar im Anschluß daran, konstatiert,
gleichwohl
gelte Lorca als einer der bedeutendsten spanischen Dichter. Man könnte glauben, es sei an Spanien gedacht, wo das Regime, dessen Banden den Dichter ermordeten, immer noch amtiert und ein Interesse daran haben mag, den weltweiten Ruhm Lorcas zu unterdrücken. Aber es ist nicht von Spanien die Rede, sondern von Lorcas Geltung schlechthin, wohl auch der hierzulande. Man muß also annehmen, die Tatsache, daß einer der bedeutendsten Künstler der Epoche von Faschisten umgebracht wurde, und zwar selbst nach den Maßstäben jenes Berichtes unschuldigerweise, reiche aus, ihn so verdächtig zu machen, daß man nur verlogen, entschuldigend gleichsam, seine Bedeutung zugestehen darf, indem man seinen Erfolg als Maßstab anerkennt. Dergleichen darf in einer ungemein verbreiteten Programmzeitschrift erscheinen, und offenbar stößt niemand sich daran. Das sagt womöglich noch mehr über das in Deutschland sich ausbreitende politische Klima als die undurchsichtigsten Vorgänge der hohen Politik. An Opfer des Faschismus darf nur so gedacht werden, als wären sie die Verbrecher, von denen sie getötet wurden; sonst wäre nicht nur Herr Franco beleidigt sondern auch das bedrohlich gesundende einheimische Volksempfinden. Wahrhaft bedarf es keiner gefälschten Photographien, um einen Ungeist zu denunzieren, dem, besorgt um ihre Auflage, gutbürgerliche Halbillustrierte sich beugen.
1966
Zu Ludwig von Fickers Aufsätzen und Reden *
Den Aufsätzen und Reden Ludwig von Fickers eigene Worte voranzustellen, kommt mir nicht recht zu. Ich durfte den im höchsten Alter Verstorbenen nicht mehr selbst kennenlernen, obwohl während der letzten Jahre, dank einer gemeinsamen Freundin, brieflicher Kontakt sich hergestellt hatte. Seine und meine Position – ein recht kruder Begriff – waren weit voneinander entfernt. Fickers Katholizismus, der wie ein selbstverständlicher Äther jeden Satz durchdringt, den er geschrieben hat, ist mit dem, was ich zu denken suche, unvereinbar. Trotzdem fühlte ich zu Ficker so viel Sympathie, daß ich vielleicht keine Grenze überschreite, wenn ich etwas über ihn sage. Sein Name, und der »Brenner«, sind mir seit frühester Jugend vertraut; ich habe gewußt, daß er einer der wenigen Freunde Trakls war, ohne den ich mir meine geistige Existenz nicht vorstellen kann; auch sein Verhältnis zu Karl Kraus war mir gegenwärtig. Vor allem jedoch habe ich in jeder Äußerung von ihm, und in seiner gesamten Haltung, etwas gespürt, auf das ich ansprach, ohne daß dadurch die Gegensätze sich verwischt hätten. Gerade das, eine Gemeinsamkeit von Extremen, die keiner mittleren Toleranz bedarf, ja sie ausschließt, zog mich zu ihm hin. Es läßt sich das kaum auf einen allgemeinen und vagen Begriff von Humanität abdestillieren.
Bemüht, es auszudrücken, erinnere ich mich an eine Formulierung Benjamins über Nietzsches Freund Overbeck: »Solche Männer, in denen man oft nur eine Art wohlmeinender Helfer, wenn nicht gar Interessenvertreter gesehen hat, sind unendlich viel mehr: Repräsentanten einer einsichtsvolleren Nachwelt. Sooft sie auch die primitivste Sorge für jene übernehmen, deren Rang sie ein für alle Mal erkannten, niemals übertreten sie die Schranken, die sie als Stellvertreter zu wahren haben.« Zu diesen Gestalten rechnet Ficker. Er hat mit einer Hellsicht und Unbeirrtheit, die ihresgleichen sucht, Menschen sich ausgewählt, deren Wesen mit dem Bestehenden zusammenstieß und deren Kraft darüber hinauswies; Stärkere und Schwächere in eins. Zu ihren Lebzeiten hat er an ihnen etwas von dem gutgemacht, was das Bestehende, und die Unversöhnlichkeit ihres Naturells mit dessen Spielregeln, ihnen antat. So tief ließ er davon sich leiten, daß er unbekümmert ums eigene Schicksal, vermöge seiner gegenwärtigen Hingabe ans
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