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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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bringt noch keinen Winter. Picasso: das ist Malerei als Tanz. Seine Substantialität liegt im Gestus des Wegwerfens eben dessen, was schon falsch ist, sobald es als substantiell sich selbst behauptet. Auch die Philosophie hätte Entscheidendes von ihm zu lernen.
     
    1961
     
     

Zu Arbeiten von Hans Glauber
     
    Ohne daß ich mir spezifisch fachmännische Kompetenz zusprechen darf, möchte ich sagen, daß die Arbeiten von Hans Glauber mich ganz ungemein interessiert haben. Sie balancieren mit großem künstlerischen Takt auf einem schmalen Grat. Auf der einen Seite erheben sie sich über die bloße Reportage technischer Dinge, die subjektiv unreflektierte Fotografie von Maschinen. Auf der anderen sind sie gänzlich frei von jeder technologischen Romantik; von der nicht seltenen kunstgewerblichen Neigung, den Maschinen eine Aura anzuhexen und, durch fotografische Stimmungsmache, ihnen subjektiv Bedeutungen zu entlocken. Sie sind ebenso frei von dem Fatalen, das vom deutschen Wort Gestaltung bezeichnet wird, wie vom sturen positivistischen Respekt vor den Fakten. Der Versuch, Maschinen durch nichts anderes als einen Abstraktionsvorgang zum Sprechen zu bringen, der sie gleichsam auf ihre reine Funktion, unter Weglassung allen Beiwerks, reduziert, scheint mir fruchtbar auch für die autonome Kunst. Ich hoffe, daß diese höchst originellen Arbeiten die starke Wirkung auch auf andere ausüben, die sie auf mich ausgeübt haben.
     
    1965
     
     

Von der Musik her
     
    Im privaten Umgang habe ich, in Dingen der Bildhauerei nicht zuständig, Fritz Wotruba als einen mit der neuen Musik, zumal der der zweiten Wiener Schule, ungemein Vertrauten kennengelernt. Er war mit Berg befreundet, verwaltet das künstlerische Erbe des Malers Gerstl, dessen Schicksal mit dem Schönbergs und seiner ersten Frau so verhängnisvoll zusammenhing. Wie wenige andere heute übersieht er das Geflecht, das die großen Wiener Musiker mit der vorigen Generation verknüpft. Vor allem aber verfügt er über die subtilste Einsicht in die Beschaffenheit ihrer Musik, zumal die psychologische Dimension, die dort zwischen den Komponisten und ihren Werken vermittelte. Überraschen mußte mich danach, im ersten Augenblick, wie wenig nach außen hin das œuvre Wotrubas dem analog ist, was man den Stil der zweiten Wiener Schule nennen mag. Ähnlichkeiten zwischen den Porträts des jungen Kokoschka und manchen wie von leidvollen Tränen angefleckten Stücken Schönbergs lagen seinerzeit ebenso zutage wie die Affinität des Schönbergschen Konstruktivismus zu Kandinsky. Nichts dergleichen bei Wotruba. Von der unendlich verzweigten, bis in den einzelnen Ton hinabreichenden Motivarbeit; von dem Prinzip der ›entwickelnden Variation‹; von dem quasi-organischen Gewusel insbesondere der Partituren Bergs ist hier nichts zu finden. Keinem käme es bei, die Plastiken Wotrubas irgend in die Nachbarschaft von Psychologie zu rücken; was für Wiener Nuanciertheit gilt, wird von ihm fast allergisch ferngehalten. Das unvorbereitete Auge des Musikers wird leicht dazu sich verleiten lassen, jene Plastiken archaistisch zu sehen.
    Mag man jedoch noch so gründlich zweifeln an der Identität von Künstler und Sache: so weit können Geist und Gesinnung und das Vollbrachte nicht divergieren, wie ein solcher Eindruck es vortäuscht. Die Schuld liegt beim Betrachter, nicht beim Betrachteten. Zunächst ist daran zu denken, daß das Eigengewicht der künstlerischen Materialien stets noch viel größer ist, als die Unifizierungstendenzen der zeitgenössischen Kunst es erwarten lassen. Selbst wer der Gewohnheit sich entäußert hat, das Plastische dem Monumentalen gleichzusetzen, wird nicht darüber sich betrügen können, daß der Stein, der von sich aus Undurchdringlichkeit, eine Grenze der subjektiven Intention bekundet, nicht ebenso unmittelbar in ein Medium des Individuums sich umformen läßt wie der klingende Ton und wahrscheinlich die Farbe auf dem Bild. Versuche in dieser Richtung wie die Skulpturen Rodins, die das impressionistische Prinzip auf die Plastik auszudehnen suchten, sind eines Ungemäßen, der Pseudomorphose an ein plastik-fremdes Material, verdächtig. Wo Plastik des obersten Ranges in ferner Vergangenheit Ausdruck war, blieb dieser wesentlich der dargestellter Menschen. Durch sie teilte die expressive Energie des Bildhauers sich mit. Seitdem die Plastik von Abbildlichkeit sich emanzipierte, sind solche Möglichkeiten unwiederbringlich. Lehmbruck sogar, der

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