Gesammelte Werke
Wände des Jagdzimmers waren ausgefüllt mit Schnitzerei von Jagdszenen: Jäger, hetzende Hunde und viel tote Beute in Tälern. Die Krone, eine Kaiserjagd, sei auch aus Gips, hätte Elfenbein werden sollen. Im Arbeitszimmer des Regenten stand ein großer Schreibtisch an der gläsernen Flügeltür zur Parkaltane. Ihn zierte eine kunstvolle Uhr aus der Blütezeit in Bronce. Der Parkettboden unter dem Läuferbelag sei von italienischen Holzkünstlern in Labyrinthform angefertigt. Auch das Deckengemälde sei italienisch. Durch das Sterbezimmer kam man ins Prunkbad. Die Fresken seien durch Wasserdämpfe angegriffen und deshalb verhängt, ihr Kunstwert sei zum Glück nicht sehr erheblich. Die zahlreichen weiteren Räume seien zur Besichtigung nicht freigegeben. Sie würden von den lebenden Herrschaften bewohnt.
Erwartung
Nach dem gemeinsamen Abendessen, ehe die Teilnehmer den Speisesaal verließen, entnahm ein Herr Dr. Küntzel seinem Notizbuch den Ausschnitt aus einer illustrierten Zeitschrift: Ist das nicht eine schöne Frau? Man reichte den Ausschnitt weiter. Um neun Uhr werde ich abgeholt, damit wir nicht nur Herren sind. Von dieser Dame? Nein, von ihrer Freundin, die auch am Chemnitzer Stadttheater verpflichtet war, jetzt aber hier wirkt. Bald danach begab man sich in die Hotelhalle. Die Herren nahmen an verschiedenen Rauchtischen zu Kaffee und Likören Platz, während Herr Dr. Küntzel im Vestibül, die Drehtür im Auge, auf- und niederging. Manchmal sah einer der Herren auf, ob die Erwartete schon erschienen sei. Eine Viertelstunde nach der verabredeten Zeit zahlten die Herren und begannen aufzubrechen, nicht ohne sich mit Herrn Dr. Küntzel über die Fortsetzung des Abends verständigt zu haben. Jener blieb unruhig zurück. Die Herren indessen schoben sich gruppenweise über den großen schon stilleren Platz. Sie gedachten, um Zeitverlust zu vermeiden, ihrem Freund behilflich zu sein, begrüßten verschiedene fremde Damen und fragten sie, ob sie etwa mit Herrn Dr. Küntzel verabredet seien. Dabei wählten sie solche Damen, deren Aussehen und Kleidung auf Künstlertum hinzudeuten schien, jedoch vergebens. Erst kurz vor dem verabredeten Ort bemerkten die Herren eine schlanke Frau in weitem Pelzmantel und Abendtuch, das die Stirn offen ließ. Sie kenne ihn. Es war die Dame vom Ausschnitt.
Der Mord
Ein Mädchen erzählte: Ich war in einem feinen Haus in Köln. An einem Abend kam ein feiner Herr in Gehrock und Zylinder. Guten Abend sagte der Herr und legte die Hand an den Zylinder. Dann verlangte er bei Madame die Hilde. Sie sei oben. Er ging hinauf und blieb eine gute Stunde. Als er allein zurückkam, griff er wieder an den Zylinder und sagte nur guten Abend. Nicht viel später erschien ein Schutzmann, grüßte auch mit der Hand und fragte nach Madame. Wenn das Mädchen nicht vom Fenster wegginge, müsse er das Haus schließen. An welchem Fenster? Im zweiten Stock. Madame schaute selbst nach, dann hörten wir, wie sie schrie, und liefen alle in den zweiten Stock. Im Bett lag nackt Hilde ohne Kopf. Der Kopf stand auf dem runden Tisch am Fenster, das Gesicht der Straße zugekehrt. Neben dem Kopf lag ein langes Messer und ein Tausendmarkschein. Seit diesem Abend mußte jedes Mädchen seinen Herrn herunterbegleiten.
Eisenbahn
Ein Kaufmann hatte den ganzen Morgen mit Tätigkeit in der Hauptstadt zugebracht und stieg um zwei Uhr in den Schnellzug. Er verließ pünktlich um zwei Uhr sieben die Halle. Auf dem Tisch vor seinem Fensterplatz lag ein Zettel mit dem dreisprachigen Aufdruck: In diesem Zug befindet sich ein Speisewagen. Augenblicklich erschien ein Angestellter der Speisewagengesellschaft und forderte auf zum Kaffee Platz zu nehmen. Ob man noch etwas zu essen haben könne? Gewiß, wenn auch nur à la carte. Der Kaufmann stand auf, der nächste Wagen war der Speisewagen. Dort nahm er im Nichtraucher-Abteil Platz, in dem nur noch ein junges Ehepaar saß. Der Oberkellner fragte, ob er Kaffee oder Tee wünsche. Kann ich noch etwas zu essen haben? Selbstverständlich, mein Herr, sogar noch das Menü, das heute besonders schön ist. Selbstverständlich ganz frisch. Sofort wurde serviert, und der Servierkellner entkorkte die schon auf dem Tisch stehende Flasche Rotwein. Auf dem Rückweg zum Abteil begegnete ihm die diensttuende Frau in Schürze und Häubchen. Sie rieb mit einem Leder die Messingstangen blank, auf dem anderen Arm trug sie einen Pack frischer Handtücher. Im Abteil las er eine
Weitere Kostenlose Bücher