Gesammelte Werke
wieder hell geworden, und der erste Teil des Werkes wurde noch durchgeführt. Dem ernsten Anlaß gemäß äußerte sich kein Beifall. Bei Beginn des zweiten Teiles setzte sogleich das Flackern des Lichtes ein. Diesmal handelte es sich um keine vorübergehende Störung. Die Lampen brannten immer schwächer. Das Publikum blieb ruhig, auch als sie rot glühten. Da wurde es dunkel. Der Kapellmeister legte den Stab nieder und wandte sich zum Saal. Die Notbeleuchtung an den Türen tat ihren Dienst. Die Orchestermusiker hörten auf. Der Chor allein sang weiter. Als allmählich weniger Stimmen teilnahmen, drang der dünne Ton eines altertümlichen Klavieres durch, welches das ganze Werk begleitete, fast ohne je vernehmbar zu sein. Es spielte noch einige Takte. Bald darauf konnte das Konzert fortgesetzt werden.
Grabmal
Des schönen Wetters wegen war das Großauto der Fremdenrundfahrt voll besetzt. Man hatte das Dichterhaus, die Anlagen und die Reste der Befestigung bereits besichtigt, als das Großauto vor einer dichten Baumgruppe hielt. Das ist die englische Kirche, sagte der Erklärer. Sie wurde achtzehnhundertfünfundfünfzig im gotischen Stile erbaut. Seit 1905 ist sie aber nicht mehr in Benutzung, sondern dient dem berühmten englischen Grabmonument mit Amor und Psyche als Obdach. Die Besichtigung ist zweimal wöchentlich frei, heute ist die Kirche geschlossen. Dann fuhr das Großauto weiter.
Vor 1933
V
Institut für Sozialforschung
und
Deutsche Gesellschaft für Soziologie
Eine Stätte der Forschung
Das Institute of Social Research faßt eine Gruppe von Gelehrten zusammen, die den verschiedensten Sachbereichen angehören, aber in ihren entscheidenden theoretischen Interessen miteinander übereinstimmen. Ihr Anliegen ist die Ausbildung einer Theorie der gegenwärtigen Gesellschaft, die Einsicht in deren zentrale Bewegungsgesetze eröffnet, ohne doch darum von der Konkretheit des Gegenstandes das mindeste dem abstrakten Begriff zuliebe zu opfern. Diese theoretische Tendenz kann und will ihren Ursprung in der Hegelschen Philosophie nicht verleugnen. In der Tat bezeichnet es einen der wesentlichsten Gesichtspunkte des Instituts, das Hegelsche Erbe so ursprünglich zu erwerben, daß es nicht zu akademischem Besitz erstarrt – wie wenig auch im übrigen das Institut an die identitätsphilosophischen Voraussetzungen der Hegelschen Methode sich gebunden weiß.
Wenn heute kein Gedanke legitimiert ist, der nicht aus den Forderungen des Materials aufsteigt, dann ist umgekehrt keine Ansammlung von Fakten legitimiert, die nicht vom Gedanken gelenkt und fähig wäre, Denken aus sich zu produzieren. Die Frage nach dem Faktum, die vordem einmal der Emanzipation des Denkens diente, droht mehr und mehr in ein Denkverbot zu entarten. Ihm sucht das Institut Widerstand zu leisten. Es vertritt Recht und Verpflichtung zu nicht-konformistischem Denken – einem Denken, unabhängig von jeder kommandierenden und reglementierenden Instanz und bereit, in seiner Konsequenz über das bloß Daseiende, Verifizierbare hinauszugehen. Die Fassade der gegenwärtigen Wirklichkeit dient so bruchlos der Abblendung des Wesentlichen, als wäre die ganze Kultur zu einem permanenten black-out geworden. Vom Wesentlichen vermag darum nur der etwas auszusagen, der die lückenlose Oberfläche nicht anerkennt, sondern noch ihre Lückenlosigkeit aus dem erklärt, was unter ihr verborgen liegt. Das Bestehende kann einzig der begreifen, dem es um ein Mögliches und Besseres zu tun ist.
Die leitenden Gedanken der Arbeit des Instituts sind in einer größeren Anzahl von Aufsätzen von Max Horkheimer formuliert worden, darunter die Auseinandersetzung mit dem Positivismus »Der neueste Angriff auf die Metaphysik« und die programmatischen Analysen »Traditionelle und kritische Theorie«. Neben diesen philosophischen Studien Horkheimers stehen spezifisch historische zur Genesis der bürgerlichen Gesellschaft und zur Ausbildung jener Züge des Menschen, die heute in den autoritären Staaten manifest geworden sind (»Egoismus und Freiheitsbewegung«).
Die Untersuchungen des Instituts erstrecken sich auf Probleme der Sozialphilosophie (Phänomenologie, Hegel), Ökonomie (planwirtschaftliche Fragen, Krisentheorie), Sozialpsychologie, Rechtssoziologie und politischen Soziologie. Eine umfassende kritische Darstellung der gesellschaftlichen Gründe des Zusammenbruchs der Weimarer Republik und eine kollektive Studie über Antisemitismus
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