Gesammelte Werke
Sozialforschung im Mai 1960 von Professor Boris Rajewsky vorgeschlagen. Veranlaßt wurde die Untersuchung dadurch, daß in den letzten Jahren etwas an Stimmung und Haltung der Studentenschaft sich zu ändern schien, besonders greifbar in gewissen Schwierigkeiten zwischen der Studentenschaft einerseits, Rektor und Senat andererseits. Die Institutsleitung folgte dankbar der Anregung, den Komplex, dessen Bedeutung nicht nur für die Bildungssoziologie sondern ebenso für praktische Fragen der Universität unmittelbar evident ist, empirisch zu behandeln. Dabei war ebenso die objektive Gültigkeit jener Beobachtung zu überprüfen wie mögliche Ursachen zu ermitteln. Ins Zentrum rückte die Frage, inwieweit die Sprecher der studentischen Selbstverwaltung überhaupt Intentionen und Interessen der Studentenschaft vertreten, oder ob der Selbstverwaltungsapparat als Vehikel zur Durchsetzung von Gruppenzielen, womöglich egoistischen der Funktionäre, diene; weiter, ob Studentensprecher sich als potentielle Führungsschicht fühlen, elitäre Vorstellungen hegen und demgemäß auch sich verhalten. Vermutet wurde, daß, nachdem die Kriegsgeneration unter den Studenten, der es nicht nur auf spezialisierte Fachbildung angekommen war, ausschied, das sogenannte Konsumentenbewußtsein sich auch über die Studenten ausbreite und in ihren Repräsentanten verkörpere.
An der von Adam geleisteten Arbeit bewährte sich nun, daß empirische Untersuchungen, wofern sie hinlänglich eingegrenzten Problemen gelten, ihre Berechtigung erweisen können durch Befunde, die exakt genug sind, um Hypothesen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die Annahmen, die uns leiteten – wenn anders sie Hypothesen genannt werden dürfen –, haben sich nicht bestätigt. Das Buch von Adam ist ein Schulbeispiel dafür, wie empirische Untersuchungen fruchtbar werden, wenn sie zur Kritik auch an theoretisch plausiblen und einleuchtend beobachteten Annahmen führen. In den Befragungen von 173 Studentenvertretern aller westdeutschen Hochschulen zeigte sich, daß von verbreiteter Opposition innerhalb der Studentenschaft nicht die Rede sein kann; eher wunderten sich auch die befragten Professoren über ein nach ihrem Urteil zu zahmes Verhalten. Konflikte hatten teils in ungünstigen Studienbedingungen, meist in politischen Divergenzen ihren Grund; nicht in Renitenz.
Naturgemäß war die Studie primär subjektiv gerichtet; ebenso deshalb, weil sie sich auf die Mentalität der zu untersuchenden Gruppe bezog, wie auch deshalb, weil das Material über die objektive Rolle der Studentenvertretungen in der jüngsten Geschichte der deutschen Universitäten sichere Schlüsse nicht erlaubte. Daraus ergab sich die Gefahr, das Selbstverständnis der Studentenvertreter, oder anderer Befragter, werde anstelle der Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse, zumal das reale Verhalten der Studentenvertreter gesetzt. Im weiteren Fortgang der Studie wurde versucht, diesem Mangel durch zusätzliche Information so gut wie möglich abzuhelfen; das nicht zuletzt ist dafür verantwortlich, daß die Publikation sich hinauszögerte.
Adams Bericht erörtert zunächst die – keineswegs neu entdeckte – Gleichgültigkeit der Studenten gegenüber ihrer Vertretung, deren Index die geringe Beteiligung bei den studentischen Wahlen ist. Er zeigt, daß jene Apathie schon auf die Gründungsphase der studentischen Selbstverwaltung zurückdatiert. Diese wurde unmittelbar nach Kriegsende eingerichtet, und zwar im Zug von Bestrebungen außerhalb der Studentenschaft selbst, im Zusammenhang mit generellen Demokratisierungstendenzen und auch mit Bedürfnissen der damals sehr desorganisierten Universitätsverwaltung. Daß die Studentenvertretung bis heute in so weitem Maß Sache isolierter Funktionäre blieb, wird aus studienbedingten Organisationsschwierigkeiten erklärt, aber auch daraus, daß die Aufgabenstellung der Selbstverwaltung von den zentralen Interessen der Studenten doch zu weit ablag; schließlich auch aus Wandlungen in der Universität selbst, die von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen determiniert sind.
Jenen Wandlungen geht Adam nach. Mit der Zeit wechseln die Ansichten von Professoren wie Studenten zur sogenannten ›universitären Demokratie‹. Die Kontroversen über die Form der Mitwirkung der Studenten an der akademischen Selbstverwaltung werden referiert und dabei kritisch die von Studenten geäußerte Ansicht analysiert, die Krise der Vertretung rühre von deren
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