Gesammelte Werke
traditionellen Konsequenzen hervor. Das legitimiert die Veröffentlichung der als Dissertation entstandenen Arbeit in unserer Reihe.
Frühjahr 1962
Fußnoten
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Von Max Horkheimer und Adorno unterzeichnet.
Peter von Haselberg, Funktionalismus und Irrationalität. Studien über Thorstein Veblens »Theory of the Leisure Class«. Frankfurt a.M. 1962. (Frankfurter Beiträge zur Soziologie. 12.)
Die im wissenschaftlichen Fortschritt unvermeidliche und vielfach produktive Arbeitsteilung zwischen den Disziplinen hat, wie in den letzten Dezennien bis zum Überdruß hervorgehoben wurde, auch ihre negativen Aspekte. Diese bestehen nicht nur in der Gefahr, daß der Sache nach Zusammengehöriges durch die voneinander getrennten Methoden auseinandergerissen wird. Sondern der Wahrheitsgehalt der Einzelwissenschaften in sich wird durch die Trennung gemindert. Unverkennbar ist das im Verhältnis von Soziologie und Ökonomie. Seit den Zeiten, da die Soziologie als besondere Wissenschaft sich einzurichten begann, pocht sie apologetisch auf ihre Eigenständigkeit, will sich als ›rein‹ beweisen und aus sich ausscheiden, womit andere, in der Universitas litterarum ältere Disziplinen sich beschäftigen. Dadurch hat sie eine bis heute fortwirkende Neigung entwickelt, am gesellschaftlich Entscheidenden, dem Lebensprozeß der Gesellschaft selbst, der Bewegung ihrer produktiven Kräfte und Produktionsverhältnisse, sich zu desinteressieren und sie der Ökonomie zuzuspielen. Sie konzentriert sich auf jene ›zwischenmenschlichen Beziehungen‹, die sekundär über jenen tragenden Strukturen sich erheben. Tendenziell wird solche Soziologie auf Sozialpsychologie reduziert. Die Volkswirtschaftslehre jedoch hat in ihrer jüngsten Phase die Analyse der tragenden gesellschaftlichen Verhältnisse ebenfalls als ein ihrem Begriff Fremdes abgewehrt. Sie beschied sich zunehmend bei dem Studium ökonomischer Prozesse innerhalb der bereits voll entwickelten Tauschgesellschaft, ohne deren Grundkategorien selbst, und ihre Verflechtung mit Gesellschaft und Geschichte, noch thematisch zu machen. Kaum ist es übertrieben, daß beide Disziplinen, indem sie durch solche Resignation für Anforderungen der unmittelbaren Praxis disponibel sich machen, ihr eigentliches Interesse versäumen. Die Zone, die beide im akademischen Betrieb nur höchst ungern betreten, ist die gleiche, in der in Wahrheit die ökonomischen wie die soziologischen Entscheidungen fallen.
Die Arbeit von Peter von Haselberg tastet sich in jene Zone. Sie ist stets zugleich auch gefährdet durch Züge des outsiderhaft Improvisatorischen, welche ihr von der Situation wissenschaftlicher Arbeitsteilung aufgeprägt werden. Der gewählte Gegenstand aber paßt in diese nicht hinein. Veblen, der von der Ökonomie herkam, hat die im engeren Sinn ökonomische Analyse in eine institutionell-soziologische umgebildet. Die ökonomische Kategorie des Eigentums erscheint ihm wesentlich unter dem Aspekt gesellschaftlicher Macht. Vergeudung und ostentatives Nicht-Arbeiten gelten ihm gleichsam als neurotische Symptome einer Gesellschaft, die unter der traumatischen Erfahrung von Gewalt steht. Sein Versuch, einen Indifferenzpunkt zu erreichen, auf dem Wirtschaft und Gesellschaft noch nicht gegeneinander verselbständigt erscheinen, entspringt einem sozialkritischen Impuls. Ihm entspricht sein sardonischer Darstellungsstil.
Während die Arbeit Haselbergs, der entscheidend an der Übertragung von Veblens Hauptwerk, der »Theory of the Leisure Class«, mitgewirkt hat, zu den ersten rechnet, welche die in Amerika höchst folgenreiche Konzeption Veblens – die gesamte Technokratie basiert auf ihr – in Deutschland zugänglich macht, bescheidet sie sich nicht dabei, sondern ist selbst kritisch: sucht Veblen, durch Reflexion seiner eigenen Motive, über sich hinauszutreiben.
Veblen zufolge, der freilich den Beweis seiner ethnologisch fragwürdigen These schuldig blieb, ist Besitz aus der Gewalttrophäe entstanden und bewahrt als Institution Züge dieses Ursprungs. Demgegenüber entwickelt Haselberg, daß Gewalt nicht im Zweck der Aneignung endet, sondern daß sie als ein »Schadenstiften« gerade auch den Besitz als verselbständigten Wert bedroht; sei es als Vergeudung, sei es als ritueller oder privater Exzeß, sei es als asketischer Verzicht, sei es schließlich als Verschleiß von Konsumgütern. Die Untersuchung trachtet, Veblens Begriff der ostentativen Faulheit, die jener
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