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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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beschränkten Kompetenzen her. Während die Forderung nach ›Hochschuldemokratie‹ lediglich erweiterte studentische Mitbestimmung meinte, wie sie an einigen Universitäten auch, mit Sympathie vieler Professoren, realisiert wurde, bildete ihren Hauptinhalt rasch genug eine Rationalisierung des Universitätsbetriebs. Die Studentenvertreter sahen sich mehr stets als Objekte einer Entwicklung, welche die Autonomie der Universitäten gegenüber dem Staat verstärkte und dadurch, nach Auffassung der Studenten, den Professoren Privilegien garantierte, die eine Verbesserung der Studienbedingungen im Sinn der Studenten erschwerten. Deren Forderungen drängten auf rationelle Ausbildung; dadurch gerieten sie in Widerstreit mit der traditionellen Universitätskonzeption; mit der Furcht, die Anpassung der Universitätsorganisation an Prinzipien industrieller Leistungsfähigkeit müsse die letzten Reservate unabhängiger geistiger Entfaltung beseitigen. Soziologisch erblickt Adam, innerhalb jener Konstellation, die Funktion der Studentenvertretung darin, daß das Mitbestimmungsrecht der Studenten in den Organen der akademischen Selbstverwaltung Unzufriedenheit kanalisiere und zugleich den Prinzipien einer autonomen, sich selbst verwaltenden Körperschaft entspreche.
    Nach den Befunden der Studie beeinträchtigten jedoch Differenzen über die Hochschulreform selten das gute Verhältnis zwischen Rektor und AStA-Vorsitzendem. Häufiger entstanden Konflikte aus der im engeren Sinn politischen Tätigkeit der Studentenvertreter. Typische Konfliktsituationen werden behandelt, die Argumente der verschiedenen Richtungen mit der herrschenden Praxis konfrontiert. Das ausgiebig belegte Fazit ist, daß die Rechtsaufsicht der Hochschulbehörden über die Studentenschaft in wachsendem Maß sich als Kontrolle der Zweckmäßigkeit politischer Betätigung der Studenten überhaupt auslege. In der traditionell unpolitischen Auffassung, welche die deutschen Universitäten von sich selbst hegen, wird der maßgebende Grund dieser Tendenz erblickt. Insgesamt scheinen die institutionellen Bedingungen an den deutschen Hochschulen politisches Engagement der Studentenschaft eher zu erschweren als zu fördern. Adam warnt erneut davor, auf Grund lokaler Kontroversen das oppositionelle Potential innerhalb der Studentenschaft, sowohl allgemein-politisch wie hochschulpolitisch, zu überschätzen. Viel eher läßt das vorherrschende Bewußtsein der Studenten nach wie vor als unpolitisch sich charakterisieren. Das wird, für die Gruppe der studentischen Funktionäre, detailliert erläutert am offiziellen Programm ihrer Organisation. Aus ihm zieht Adam den Schluß, daß die Studentenvertretung einer unpolitischen Versorgungsbürokratie sich annähere. Sie beharrt auf dem Subsidiaritätsprinzip, möchte Sozialeinrichtungen in eigener Regie unterhalten. Durch wachsende Beschäftigung mit Verwaltungsaufgaben und Mitwirkung in den Universitätsorganen werden die studentischen Funktionäre, nach dem Urteil von Adam, ähnlich wie die Betriebsräte in der Industrie allmählich in die institutionelle Hierarchie integriert.
    Dies Verhalten wird jedoch nicht zu einer bloßen Sache ihrer Gesinnung gemacht oder gar den Funktionären, wie es so vielfach üblich ist, vorgeworfen: ihnen diktiere ihre Abhängigkeitssituation – die von Lernenden – und der Mangel an Unterstützung durch die Zwangsmitglieder der Organisation ihr Verhalten. Wenige Studentenvertreter verfügten nach den Befragungsergebnissen über die Einsicht, daß Interessenvertretung konsequenterweise identisch sei mit politischem Handeln, dessen Berechtigung nicht etwa aus einer besonderen Verwaltung der künftigen Akademiker sich legitimieren müsse.
    Der eigentlich soziologische, den informatorischen Beitrag übersteigende Gehalt der Schrift besteht darin, daß sie dazu hilft, die Situation an der Universität als Moment eines weit umfassenderen gesellschaftlichen Prozesses zu begreifen.
     
    Mai 1965
     
     
    Adalbert Rang, Der politische Pestalozzi. Frankfurt a.M. 1967. (Frankfurter Beiträge zur Soziologie. 18.)
     
    Das Pestalozzibuch von Adalbert Rang, dessen Ertrag weit hinausgeht über den bescheidenen Anspruch, mit dem es auftritt, ist vielleicht am besten zu charakterisieren durch einen darin geübten Verzicht. Der Begriff des Menschenbildes, der seit Jahren in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik grassiert, wird strikt vermieden. Und nicht nur aus Antipathie gegen den Jargon, dem jenes Wort

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