Gesammelte Werke
darauf unmittelbar die Drohung des Todes; der Erklärung bedürfen nicht die Unfälle sondern einzig, daß nicht viel mehr passiert. Es wäre dringend notwendig, daß, zunächst durch Verkehrsampeln in dem ganzen Universitätsgebiet, dann aber durch viel radikalere Maßnahmen Abhilfe geschaffen wird. Die Haltung der Automobilisten selbst, bei denen man den Eindruck hat, daß sie, wofern sie nur das grüne Licht und damit nach ihrer Meinung das Recht auf ihrer Seite haben, die Fußgänger als störende Objekte betrachten, trägt zu deren Gefährdung das Ihre bei; da aber nicht darauf zu hoffen ist, daß sie anderen Sinnes werden, so sind verkehrstechnische und polizeiliche Maßnahmen dringend notwendig. Eine Verzögerung wäre nicht zu verantworten.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 22./23. 12. 1962
Sie wissen, daß es nicht meine Art ist, auf negative Kritiken zu reagieren; jeder soll mich nach Herzenslust zerreißen; wenn meine Sachen etwas taugen, sollen sie sich selber dagegen wehren und nicht ich.
Wenn aber in einer Kritik es nicht um die geistige Qualität sondern um die simpelsten Sachgehalte geht, ist es doch etwas anderes. In der Samstag/Sonntag – Nummer der Süddeutschen Zeitung ist eine, C.H. gezeichnet, erschienen, nur ein paar Zeilen lang. Daß man mir »wahnwitzigen Scharfsinn« attestiert, mag ruhig hingehen; Tumbheit ist nun einmal nicht von Philosophie zu erwarten. Wird aber gesagt, »die Philosophie wird gegen die Theologie ausgespielt«, so ist das nicht auf Kosten meines Wahnwitzes zu setzen, sondern, wie jedem bekannt, der auch nur oberflächlich mit Kierkegaard vertraut ist, dessen eigene Intention; und eine so allbekannte, daß sie in meinem Buch selbst gar keine Rolle spielt, es sei denn, daß ich im Nachwort auf dies Selbstverständliche hingewiesen habe, um die Aufnahme der Beilage zu begründen. Der Gegensatz der Theologie zur Philosophie, die für Kierkegaard die Hegelsche war, ist die Grundstruktur seines gesamten Werkes.
Vor allem aber: an keiner Stelle habe ich die Religion, »nach einem erotischen Modell, als Leidenschaft« bezeichnet. Wer mein Buch gelesen hat, muß wissen, daß seine Intention die genau entgegengesetzte ist; daß die gesamte existentiale Dialektik Kierkegaards als eine nach innen geschlagene spekulativ-idealistische dechiffriert wird. Offenbar hat der Rezensent mein Buch mit dem von August Vetter verwechselt, das »Frömmigkeit als Leidenschaft« heißt und dessen These ich schon als junger Mensch für falsch gehalten habe.
Meine Jugendschrift, die übrigens nicht aus meiner Habilitationsschrift hervorgeht, sondern diese selber ist, mag alle erdenklichen Fehler haben, aber um diese zu finden, sollte man sie doch wenigstens gelesen haben. Der Text ist, im Gegensatz zu dem, was in der Rezension steht, das unveränderte Original, nur ein paar Druckfehler sind berichtigt, und die spätere Abhandlung über Leben und Walten der Liebe hinzugefügt. Auch das übrigens steht im Nachwort.
Ich wäre Ihnen herzlich dankbar, wenn Sie, soweit es sich eben um Tatbestandsfragen und nicht solche des geistigen Rechts handelt, für eine Berichtigung Sorge tragen wollten. Kaum zweifle ich daran, daß der Rezensent, wenn Sie ihn auf diese Dinge hinweisen, damit sich einverstanden erklären wird.
Bitte verzeihen Sie, daß ich Sie mit solchen Quisquilien behellige, aber es ist, um des Ernstes von Kritik willen, doch vielleicht nicht illegitim.
FRANKFURTER ALLGEMEINE, 9. 12. 1964
Wer Psychologe ist. – Die Zuschrift des Herrn Wolfgang F. Meyer scheint mir charakteristisch für eine im heutigen Deutschland weit verbreitete und überaus problematische Neigung: inhaltliche Bestimmungen, Fragen der sachlichen Kompetenz zu ersetzen durch Erwägungen, die sich auf formale Zuständigkeiten und mehr oder minder verwaltungstechnische, äußerliche Begriffsdefinitionen gründen. Daß die Psychoanalyse einstweilen hierzulande noch nicht in der Systematik der Wissenschaften als Psychologie figuriert, hat, wie Herrn Meyer fraglos bekannt ist, teils historische Gründe – daß eben Freud von der Medizin herkam –, teils jedoch hängt es mit dem fatalen Widerstand gegen die Psychoanalyse zusammen, der das Dritte Reich überlebt hat. In anderen Ländern fände die von Herrn Meyer geforderte Trennung kaum Verständnis; in Amerika etwa ist die Psychoanalyse längst zu einem wesentlichen Bestandteil der akademischen Psychologie ebenso wie der Psychiatrie geworden und übt zugleich
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