Gesammelte Werke
consider one of the greatest triumphs of Realism, and one of the grandest features in old Balzac.« (London, Anfang April 1888; in: Karl Marx/Friedrich Engels, Über Kunst und Literatur, Berlin 1953, S. 122f.) Der gleiche Sachverhalt war fraglos schon gemeint, als Engels fünf Jahre früher, in einem Brief an Laura Lafargue, von der »revolutionären Dialektik in seiner [Balzacs] poetischen Gerechtigkeit« redete (cf. Engels, Brief vom 13. Dezember 1883 an Laura Lafargue; in: Correspondance Friedrich Engels – Paul et Laura Lafargue, Paris 1956, S. 153). Nicht die Pedanterie, die zur Feder greift, wenn sie in einer Zeitschrift irgendein Faktum liest, das nicht stimme, veranlaßt die Richtigstellung, sondern triftigeres Interesse. Die ästhetischen Anschauungen von Marx und Engels sind – die beiden hätten es gewiß nie sich träumen lassen – im gesamten Ostbereich kanonisiert. Um so wichtiger, daß Engels an einer der Stellen, in denen er mit ästhetischen Fragen sich befaßt, einen Gedanken entwickelt, der der herrschenden Doktrin des sozialistischen Realismus so kraß widerspricht, daß keine exegetischen Künste es aus der Welt schaffen können. Denn die »revolutionäre Dialektik«, die er am Werk Balzacs rühmt, ist ja nichts anderes, als daß in der
Comédie humaine
die Kraft des gesellschaftlichen Zuges gegen die politischen Sympathien des Romanciers sich durchsetzt. Mit anderen Worten: Engels unterscheidet scharf den gesellschaftlichen Gehalt eines Kunstwerks von der Tendenz; bei Balzac erkennt er den unmittelbaren Gegensatz beider. Das aber ist unvereinbar mit dem im Osten so genannten sozialistischen Realismus, der den gesellschaftlichen Gehalt der Tendenz gleichsetzt und danach die Schafe von den Böcken scheidet. Die politische Praxis, der das sich einfügt, hat mit der Theorie von Marx und Engels so viel zu tun wie die heilige Inquisition mit der Bergpredigt. Formulierungen wie die Engelssche jedoch erlauben es, die Fälschung, die man an der Theorie verübt, beim Namen zu nennen.
Fußnoten
*
Vgl. Tibor Meray, Bube, Dame, König, in: Der Monat. Jg. 13 (1960/61), Heft 147 (Dezember '60), S. 83.
FRANKFURTER ALLGEMEINE, 29. 11. 1961
Zu der sbg-Glosse »Einsiedler« darf ich vielleicht bemerken, daß ich auf eine darin vorgebrachte Konzeption gänzlich unabhängig vom Autor, und ganz gewiß ohne daß er davon gewußt hätte, verfallen bin: in dem Webern-Essay aus den »Klangfiguren« wird dagegen plädiert, eine größere Folge von Webernstücken unmittelbar hintereinander zu bringen, denn »ein volles Webernprogramm wäre wie ein Einsiedlerkongreß« (S. 168). Dessen Idee muß also in der Luft liegen. Im übrigen gibt es, wenn ich recht berichtet bin, tatsächlich etwas wie eine Dachorganisation für Eremiten, die darüber befindet, wer mit kirchlichem Plazet der Einsamkeit sich weihen darf. Die Gesellschaft, in der wir leben, erweist daran sich als vergesellschaftete, daß noch der äußerste Weg nicht aus ihr hinausführt.
FRANKFURTER ALLGEMEINE, 18. 7. 1962,
Lokalteil
Beim Überschreiten der Senckenberganlage, nahe der Ecke Dantestraße, ist eine unserer Sekretärinnen, Frau Woch, überfahren und erheblich verletzt worden, nachdem an derselben Stelle wenige Tage vorher ein Passant tödlich verunglückt war. Nachdem ich auf die Mißstände der Verkehrsregelung auf der Senckenberganlage dort, wo sie an der Universität vorbeiführt, verschiedentlich aufmerksam gemacht hatte, ohne etwas erreichen zu können, wende ich mich heute an die Öffentlichkeit.
Die Senckenberganlage hat sich zu einer der verkehrsreichsten Ausfallstraßen entwickelt. Breit und mit mehreren Bahnen, lädt sie geradezu die Autos dazu ein, loszufahren. Zugleich aber muß diese Straße dauernd von all denen überquert werden, die ebenso an der Universität wie an den auf der anderen Seite der Senckenberganlage befindlichen Instituten arbeiten. Verkehrslichter fehlen. In unwürdiger Weise muß man über die Straße rennen, um nicht im buchstäblichen Sinn unter die Räder zu kommen; auf der Seite der Mertonstraße ist die Situation besonders gefährlich, weil die Senckenberganlage einen scharfen Knick macht, der die Wirkung hat, die Autos weit nach links zu treiben; es ist für den Überschreitenden fast unmöglich, die Distanzen richtig abzuschätzen. Sollte ein Student, oder ein Professor, in jenem Zustand sich befinden, der ihm eigentlich angemessen ist, nämlich in Gedanken sein, so steht
Weitere Kostenlose Bücher