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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Weltbildes, der des Ich, der der Kausalität und der des Dinges, finden ihre Begründung allein durch den Nachweis, daß sie nichts anderes sind als gesetzmäßige Zusammenhänge unserer Erlebnisse und daß sie nur insoweit angewandt werden dürfen, wie sie sich nach dem Eintreten der unter ihnen befaßten Phänomene bestätigen. Damit ist aber Bewußtsein als Grund aller bleibenden begrifflichen Ordnung und aller Erkenntnis insgesamt angesprochen.
    Wir nennen nun Philosophien des Unbewußten allgemein zunächst alle Lehren, die die Unabhängigkeit der Gültigkeit ihrer Aussagen vom Bewußtsein behaupten und vorgeben, daß ihnen irgendeine von Bewußtsein unabhängige Erkenntnisweise – zumeist eine solche, die auf einen transzendenten Grund der »Dinge an sich« bezogen wird – gegeben sei, die sie zu absoluten, den in Bewußtsein gründenden Aussagen prinzipiell überlegenen Aussagen befähige. Damit ist bereits ein radikaler Gegensatz zur Transzendentalphilosophie gesetzt. Er spitzt sich zu am Problem der Transzendentalbedingungen. Transzendentalbedingungen heißen uns die Grundbedingungen aller möglichen Erkenntnis, die wir in den Grundbedingungen des Bewußtseins finden; diese Bedingungen sind, gegenüber der bewegten Fülle der Phänomene, beständig. Transzendentalphilosophie verlegt damit den Grund alles beständigen Seins in Bewußtsein. Dies aber kann eine Philosophie, die die fundamentale Dignität von Bewußtsein bestreitet, nie zugeben. Sie muß also notwendig die transzendentalen Faktoren jedenfalls ihrer prinzipiellen Bedeutung nach negieren und entweder den Grund bleibenden Seins transzendent ansetzen, dem Ausweis durch Bewußtsein ganz entheben; oder gar, wofern sie die Unmöglichkeit einer bewußtseinsunabhängigen Begründung bleibenden Seins einsieht, bleibendes Sein und konstitutive Bedingungen eines solchen Seins ganz zu leugnen trachten. Wir werden zu untersuchen haben, wohin der Versuch solcher Leugnung führt und weiter, ob ein derart aufgebautes Denken tatsächlich, wie es beansprucht, fähig ist, unabhängig von einem jeglichen Begriff bleibenden Seins zu operieren. Hier ist es uns zunächst nur darum zu tun, daß der Kontrast von transzendentaler Bewußtseinsphilosophie und Philosophie des Unbewußten nicht stehenbleibt bei den Methoden der Erkenntnis, ohne die sachlichen Resultate wesentlich zu modifizieren, sondern daß er den großen ontologischen Problemen der Philosophie gegenüber – zunächst, wie aufgezeigt, dem des Dinges an sich, aber auch, wie sich als Konsequenz der dargelegten Wendung der Unbewußtheitsphilosophien gegen den Begriff der transzendentalen Faktoren leicht ergibt, den Problemen des Ich und der Kausalität gegenüber – total verschiedene Einstellungen notwendig bedingt. Die Auseinandersetzung zwischen Philosophie des Unbewußten und Transzendentalphilosophie wird damit aus einer methodischen zu einer prinzipiell philosophischen. Von ihrem Ausgang allein hängt es ab, ob der Begriff des Unbewußten überhaupt in wissenschaftlich sinnvoller Weise aufrecht zu erhalten ist oder ob er ganz fortfallen muß; weiter, welche Fassung diesem Begriff zu geben ist. Dies herauszuarbeiten erscheint um so dringlicher, als der Begriff des Unbewußten ja nicht allein eine Domäne der Philosophien des Unbewußten ist, sondern die von solchen Philosophien ganz unabhängigen Ergebnisse der empirischen Psychologie die Bildung eines Begriffs des Unbewußten notwendig machen, der die Kontinuität und Ökonomie alles wissenschaftlichen Denkens durchbräche, wenn es nicht gelänge, ihm seinen Ort im Lehrgebäude der Erkenntnistheorie zuzuweisen. Unsere Absicht bleibt also nicht etwa darauf beschränkt, Transzendentalphilosophie und Philosophien des Unbewußten einander entgegenzustellen und die in beiden beheimateten Begriffe des Unbewußten gegeneinander auszuspielen, sondern geht wesentlich dahin, den Begriff des Unbewußten, den, unabhängig zunächst von aller philosophischen Deutung, die empirische Wissenschaft prägt, philosophisch zu prüfen. Diese Prüfung kann allerdings mit Aussicht auf Erfolg dann erst unternommen werden, wenn der philosophische Streit um den Begriff des Unbewußten eindeutig entschieden ist.
    Mit der Erfassung des allgemeinen Gegensatzes zwischen Transzendentalphilosophie und Philosophien des Unbewußten ist nun freilich für jene Entscheidung nicht eben viel geleistet. Denn in der Allgemeinheit unserer Definitionen ist mit jenem Gegensatz nichts über die

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