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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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gegen die sich die Philosophien des Unbewußten vor allem und notwendig richten. Wir müssen dabei die doppelseitige Bedingtheit der Unbewußtheitsphilosophien der Kantischen Position gegenüber in Rechnung setzen; einmal rinnen unter dem Gesichtspunkt des Unbewußten alle die Denkströme zusammen, denen die Kantische Philosophie, als Bewußtseinsphilosophie, den Weg verlegt hatte; umgekehrt aber werden Lücken und Brüche des Kantischen Systems entweder durch Theorien des Unbewußten ergänzt und damit ihre Korrektur versucht; oder es werden jene Brüche gerade, mit Umdeutung der Kantischen Grundbegriffe, als positiver Ausgangsgrund einer Philosophie ausgewertet, die von der Bewußtseinsimmanenz unabhängig sein soll; oder endlich es geben jene Unstimmigkeiten Anlaß zu einer radikalen Kritik, die helfen will, die Gefahren, die von der Kantischen Philosophie der Dogmatik drohen, allesamt zu beschwichtigen.
    Die vorkritischen Motive als solche, auch die der rationalistischen Metaphysik, scheiden für uns aus. Denn es geht bei unserer Erörterung um das Problem des Unbewußten allein als
wissenschaftliches
Problem; dogmatische Setzungen haben unser Interesse nur insoweit, wie sie mit dem Charakter der Wissenschaftlichkeit auftreten. Die vorkritischen Motive aber gegen die Bewußtseinsphilosophie Kants sind nichts anderes als Säkularisierungen von religiösen oder mythologischen Sätzen. Wo Erkenntnis nicht angestrebt wird, sondern die Erkenntnisse nach dem Maß anderer, von Erkenntniskriterien unabhängiger Maßstäbe gemessen werden, hat wissenschaftliche Kritik ihr Recht und ihr Interesse verloren. Wir finden den vorkritischen Gegensatz gegen die Bewußtseinsphilosophie Kants am reinsten ausgeprägt bei Hamann, dessen mythologischer Sprachbegriff, Instrument der Bekämpfung der Kantischen Dualität von Sinnlichkeit und Verstand und damit eines der Grundprinzipien rechtsausweisender Bewußtseinsanalyse, unvermittelt und unkritisch aus der Offenbarungslehre übernommen ist. Vorkritisch scheint uns auch die an Hamann orientierte Metakritik von Herder und ebenso nimmt die Gefühls-Glaubenslehre von Jacobi nicht in einer Weise von den Problemstellungen der Vernunftkritik als einer Begründung
wissenschaftlicher
Erkenntnis ihren Ausgang, die ihre Behandlung im Rahmen einer Auseinandersetzung mit den Philosophien des Unbewußten als wissenschaftlichen Philosophien notwendig machte.
    Anstatt historisch das Zusammentreffen vorkritischer Motive mit solchen einer wissenschaftlich dem Stande der Vernunftkritik bereits angemessenen Polemik gegen Kant in den Philosophien des Unbewußten darzustellen – einer geistesgeschichtlich übrigens höchst ergiebigen Aufgabe –, rekurrieren wir unmittelbar auf die Probleme der Kritik der reinen Vernunft und deuten an, inwieweit jene Probleme die Bildung einer mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auftretenden Philosophie des Unbewußten möglich machten. Es ist dabei zunächst jener Unstimmigkeit zu gedenken, deren Kritik allgemein weniger den Begriff des Unbewußten als vielmehr die Konstruktion der nachkantischen idealistischen Systeme inaugurierte: der Kantischen Behauptung eines auf das Bewußtsein wirkenden
Dinges an sich
und seiner Wendung zum
intelligiblen Charakter
zumal. Denn zunächst wird mit dem Begriff des transzendenten Dinges an sich als Ursache der Phänomene eine Tatsache gesetzt, die als gesetzmäßiger Grund der Bewußtseinstatbestände, im Kantischen Sprachgebrauch der Phänomene, angesehen wird, ohne daß jene Tatsache durch Bewußtsein jemals ausweisbar wäre, so daß zwischen Bewußtsein und Ding eine unüberbrückbare Kluft gelegt wird. Insoweit aber das Ding selbst andererseits bei Kant bewußtseinsimmanent ist, als »Objekt«, als »Gegenstand« bezeichnet wird, im Sinne der Analogien der Erfahrung jedenfalls konsequent als Gesetz für Phänomene zu betrachten wäre, kommt Kant in die Zwangslage, die Kluft zwischen Bewußtsein und Ding ins Psychische selbst verlegen zu müssen. Bei der Behandlung der dritten Antinomie gerät er darum auf den Begriff eines von der Kausalität, der das phänomenal aufgebaute »empirische Ich« unterliegt, prinzipiell unabhängigen »intelligiblen Charakters«, unter dem zwar nichts Deutliches vorzustellen ist, der aber offenbar die Funktion hat, als ein von den »Phänomenen«, unseren Erlebnissen, prinzipiell unabhängiges beharrliches »Ding an sich der Seele« den Widerstreit zwischen dem Dogma vom transzendenten und der

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