Gesammelte Werke
Begriffes zunächst, dann aber auch Aufklärung als Ziel in der umfassenderen Bedeutung, die Geschichte dem Begriff verleiht: Destruktion dogmatischer Theorien und Bildung von solchen an ihrer Stelle, die in Erfahrung gründen und für Erfahrung zweifelsfrei gewiß sind. Der zweiten Absicht dienen wir allein, indem wir die erste durchführen: unsere Untersuchung ist erkenntnistheoretisch, nicht historisch intendiert. Erst am Ende unserer Untersuchung versuchen wir, die Funktion unserer Erkenntnisse im Zusammenhang breiterer philosophischer Aufklärung kurz zu formulieren.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, den Begriff der Aufklärung, in dessen Dienst wir uns stellen, selbst hier zu entwickeln. Unsere Ausführungen bedürfen eines solchen expliziten Begriffes von Aufklärung auch gar nicht; als erkenntnistheoretische empirisch gültige Analysen stehen sie für sich selbst. Der erkenntnistheoretische Standpunkt, den wir dabei voraussetzen, ist der von Hans Cornelius in seinen Büchern, vorab der »Transcendentalen Systematik« vertretene. Wir setzen diesen Standpunkt überall voraus und verzichten darauf, uns überall ausdrücklich auf ihn zu berufen. Außer der Methode und den erkenntniskritischen Hauptbegriffen verdankt die Arbeit Cornelius vor allem die Analyse der konstanten Faktoren des Ich unter Rekurs auf den Sachverhalt der unbemerkten Erinnerung, eine Analyse, die für die transzendentale Konstitution des Begriffs des Unbewußten von entscheidender Bedeutung ist.
Der Abschnitt über die Paralogismenlehre Kants war bereits vor dem Erscheinen des Kant-Kommentars von Cornelius fertiggestellt. Wenn wir trotz der – bei der Wahl unserer Ausgangsposition selbstverständlichen – Übereinstimmung der Resultate auf jenen Abschnitt nicht verzichten mochten, so deshalb, weil der Zusammenhang unserer Betrachtung für jeden unserer Leser verständlich bleiben sollte und weil unsere Betrachtung der Paralogismenlehre unter dem besonderen Gesichtspunkt des Unbewußten und der Antinomik der naturalistischen Lehren vom Unbewußten steht.
Zu Dank verpflichtet bin ich vor allem meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hans Cornelius, ohne dessen Unterricht keine der hier aufgeworfenen Fragen wäre gestellt und gar beantwortet worden; dann vieler wichtiger Anregungen wegen Herrn Privatdozenten Dr. Max Horkheimer. Wer Horkheimers Arbeiten über die Grenz- und Vermittlungsbegriffe im Kantischen System kennt, wird den Zusammenhang jener Arbeiten mit der hier unternommenen Auflösung der Antinomik des Unbewußten, soweit sie in Hypostasierungen Kantischer Grenzbegriffe ihren Grund hat; weiter in der Fassung des Begriffs des Unbewußten als einer
Aufgabe
nicht übersehen.
Kronberg i. T., August 1927
Einleitung
Problem und Methode
Wenn die folgenden Untersuchungen es unternehmen, den Begriff des Unbewußten transzendental zu bestimmen und die Wissenschaft von den unbewußten Gegenständen transzendental zu begründen, so bedarf es zuvor einiger Einsicht in die Methode, die dabei verfolgt wird. Wie berechtigt immer angesichts der methodologischen Verdunkelung der Sachprobleme, der man in weiten Erkenntnisbereichen heute begegnet, die Mahnung sein mag, mit einer Erörterung der Sachen selbst zu beginnen: es läßt sich dieser Mahnung nicht in allen Fällen Folge leisten. Sie setzt zunächst Klarheit über den Gegenstand der Betrachtung voraus und diese Klarheit kann dem Problem des Unbewußten gegenüber keinesfalls vermutet werden, da unter dem Begriff des Unbewußten heute landläufigerweise völlig Disparates befaßt wird und eine eindeutige Bestimmung des Begriffs erst im Laufe unserer Untersuchung sich ergeben wird, nicht also von vornherein als Richtmaß des Verfahrens dienen kann. Und nähme man selbst den Begriff des Unbewußten zunächst nur vage und unbestimmt und trachtete, in fortschreitender Analyse ihn exakt herauszuarbeiten: man wäre auch dann nicht methodischen Vorerwägungen enthoben, falls man die Untersuchung des Begriffs mit den Mitteln der transzendentalen Erkenntnistheorie durchführte. Denn es ist zunächst nicht ausgemacht, ob der transzendentalen Methode überhaupt das Recht zukommt, über den Begriff des Unbewußten zu entscheiden. Während die empirische Forschung, die sich den unbewußten Tatsachen zuwendet, gleich jeder empirischen Forschung an der philosophischen Konstitution ihrer Gegenstände desinteressiert ist oder gar das philosophische Bemühen um jene Gegenstände skeptisch als
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