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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Objekt zu machen (vgl. K. d. r. V., 355), träfe nur dann zu, wenn das Ich, als Subjekt der Erkenntnis, tatsächlich nur deren logische Form wäre. Nun ist das Ich aber, wie dargelegt, weit mehr, nämlich der Inbegriff der Einheit der Erlebnisse in ihrer vollen Mannigfaltigkeit; damit aber ein durch die Beziehungsformen dieser Mannigfaltigkeit, die »transzendentalen Bedingungen«, sehr wohl objektiv Bestimmtes, mithin ein empirischer Gegenstand, über den ich soweit synthetische Urteile a priori fällen kann, wie seine Konstitution auf Grund der Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung einsichtig ist, soweit also, wie die an ihm (»empirisch«, d.h. in unmittelbarer Selbstwahrnehmung) gewonnenen Bestimmungen für alle zukünftige Erfahrung gültig sind. Die logische Paradoxie, daß ein Gegenstand gleichzeitig Subjekt und Objekt des gleichen Urteils über ihn sein soll, löst sich damit; sie gälte allein dann, wenn Subjekt oder Objekt transzendent vorausgesetzt wären. Hier aber sind Subjekt und Objekt nicht ontologisch getrennt, sondern Subjektives und Objektives bedeuten verschiedene Weisen der Ordnung des Gegebenen, bzw. subjektiv, in
unserem
Sinn, ist das nur abstraktiv auszusondernde unmittelbar Gegebene als solches, objektiv sein durch die transzendentalen Bedingungen konstituierter Zusammenhang; so daß auch im Bereich der transzendentalen Psychologie im oben definierten Sinn von Objektivität die Rede sein kann, insoweit die transzendentalen Faktoren dort ihre Anwendung finden. Mit der Reduktion der Objektivität auf die Subjektivität entfällt die von Kant behauptete Paradoxie. Überdies ist ja gerade bei Kant das Ich denke keineswegs Subjekt und Objekt
desselben
Urteils, da es bei ihm als Subjekt nur als die logische Einheit, als Objekt aber als volles empirisches Ich gefaßt ist. Den bei Kant dogmatisch vorausgesetzten Unterschied zwischen beiden mußten wir allerdings aufheben, um den transzendental begründeten Begriff des empirischen Ich zu gewinnen. Dafür aber befreiten wir uns von dem ontologischen Unterschied des Subjektiven und Objektiven.
    Der zusammenfassende Anfangssatz der »Betrachtung über die Summe der reinen Seelenlehre« (vgl. K. d. r. V., 752) ist auf Grund der durchgeführten Betrachtung bündig widerlegt. Im übrigen berichtigt die dort folgende, wesentlich auf die Immanenz gerichtete Betrachtung viele der Unrichtigkeiten der Paralogismenlehre selbst.
     
    Wir verlassen damit Kants Lehre von den psychologischen Paralogismen. Sie hat uns zunächst klar ergeben, daß die Kantische Kritik der rationalen Psychologie dem Begriff des Unbewußten im Rahmen transzendentaler Erkenntnis keinen Raum läßt. Nach der Kantischen Auffassung der Paralogismenlehre wäre ein Begriff des Unbewußten entweder Residuum der dogmatischen Metaphysik wie der transzendentale Seelenbegriff und als solches der Kritik radikal verfallen; ein Resultat, dem wir auf Grund unserer Erwägung der immanenten Problematik der Lehren vom Unbewußten völlig beipflichten. Oder aber der Begriff des Unbewußten ist ein »bloß empirischer« Begriff, dem höhere wissenschaftliche Dignität nicht zukommt: und diese Konsequenz können wir nicht annehmen. Daß im übrigen solche vermeintlich bloß empirische Erkenntnis sehr wohl von hoher wissenschaftlicher Bedeutung sein kann, geht aus Kants längst noch nicht nach Gebühr gewürdigter Anthropologie hervor, in der auch über das Unbewußte und die Tatbestände, die wir als seelendinglicher Art zu bestimmen haben werden, sehr viel Zutreffendes gesagt ist. Unsere Betrachtung der Kantischen Paralogismenlehre indessen hat uns gezeigt, daß die Möglichkeit einer transzendentalen Seelenlehre und damit die Möglichkeit einer für alle zukünftige Erfahrung gültigen Bestimmung des Begriffs des Unbewußten sehr wohl vorliegt. Einer solchen Begründung des Begriffs des Unbewußten bedürfte es, nach allen vorangegangenen Untersuchungen, nun allerdings, denn die dogmatische Fassung jenes Begriffs hat sich uns nach jeder Richtung hin zersetzt; eine unmittelbar gegebene und vor aller wissenschaftlichen Bestimmung einsichtige Tatsache ist der Begriff des Unbewußten nicht, und andererseits sind wir doch genötigt, gewisse Tatsachen unseres Bewußtseinszusammenhanges unter jenen Begriff zu bringen, ohne daß er bislang seine zureichende Klärung gefunden hätte. Die Fassung des Begriffs des Unbewußten hätte also ihren rechtmäßigen Ort in einer transzendentalen Seelenlehre. Die Idee

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