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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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exakten Sinn zu bezeichnen sind –, dann also genügt jene Bestimmung zur Trennung des Psychischen vom Physischen, ohne daß diese Trennung willkürlich ins unmittelbar Gegebene verlegt würde, das immer und ausnahmslos psychisch ist; ohne daß aber auch im transzendenten Ansatz verschiedene »Seinsweisen« supponiert werden müßten. Es wird vielmehr gerade der Ansatz eines transzendenten Dinges an sich und einer transzendenten Seelensubstanz, der die Trennung von Materialität und Immaterialität unmöglich macht, beseitigt; da beide im Kantischen Sinn schlechthin unbekannt sind, so könnten sie, der logischen Möglichkeit nach, identisch sein. Da aber ihre Unbekanntheit Illusion ist; da die Transzendenzen fortfallen und die immanenten empirisch aufweisbaren Begriffe des Bewußtseins und der materiellen Wirklichkeit an ihre Stelle treten, ohne auch nur den Schein eines Unbekannten zu enthalten, so scheidet die Möglichkeit der Identität wieder völlig aus. Im übrigen besteht die Kritik des Simplizitätsbegriffs soweit zu Recht, als unter der einfachen Seele ein von ihren Erlebnissen unabhängiges (unabhängig nicht allein der Beharrlichkeit nach, sondern unabhängig in dem Sinn, daß es zur Bildung des Begriffs der Seele des Erlebnisverlaufs gar nicht bedürfte) Substrat verstanden wird. Die Seele ist nicht einfach im Verhältnis zu der Vielheit der Erlebnisse; denn diese Vielfalt gerade macht sie aus. Aber sie ist die Einheit dieser Vielfalt; die Einheit, die bei jedem neuen Erlebnis uns unmittelbar mitgegeben ist. Diese Einheit ist eine Erfahrungsbestimmung und hat doch im Gegensatz zu Kants Meinung Gültigkeit für alle zukünftige Erfahrung. Der Kantische Gedanke von der Unmöglichkeit der Verteilung eines Bewußtseinsverlaufs an verschiedene Subjekte selber erweist sich stringent; nur daß diese Einheit nicht, wie Kant meint, eine bloß logische Einheit ist, sondern eine empirische Einheit, deren Bedingungen konstitutive Faktoren des Bewußtseins sind. Diese Bestimmungen sind zugleich Grundstücke der transzendentalen Psychologie. Die Einheit befaßt nicht allein, wie Kant es lehrt, die Mannigfaltigkeit der Erlebnisse als logische Form unter sich: sie
ist
vielmehr der Zusammenhang der Erlebnisse selbst und als solcher durchaus empirisch.
    Die Kritik des dritten Paralogismus gibt Kants Diskussion der numerischen Identität und der Personalität des Ich. Die numerische Identität des Ich bezeichnet Kant als tautologisch; d.h. eben der Begriff des Selbstbewußtseins als konstitutiver Bedingung aller einzelnen Erlebnisse besagt, daß alle einzelnen Erlebnisse als Erlebnisse eben dieses Zusammenhanges gegeben sind, dieser also numerisch identisch ist. Diese Identität besagt aber tatsächlich als solche mehr, denn daß sie eine bloße logische Einheit wäre; ebenso wie die Simplizität, von der sie im übrigen methodisch nicht wohl zu trennen ist, da beide Tatsachen nichts als verschiedene Ausdrücke der transzendentalen Einheit sind: wäre das Bewußtsein nicht »einfach«, d.h. könnte es in verschiedene »Bewußtseine« zerlegt werden, so wäre es auch nicht numerisch identisch. Seine numerische Identität ist die Identität des Bewußtseins, dem unsere mannigfaltigen Erlebnisse angehören: wenn nicht fälschlich mehr darunter verstanden wird als der Begriff dieser Erlebniseinheit, die von der empirischen Gegebenheit von Erlebnissen überhaupt unabtrennbar ist und einzig durch jene einen positiven Sinn gewinnt, so besteht der Begriff der numerischen Identität als transzendentaler Erfahrungsbegriff im Gegensatz zu der Kantischen Auffassung mit vollem Recht weiter. Kants Argumentation dagegen geht vom fremden Bewußtsein aus, was bereits eine methodische Unzulässigkeit bedeutet. Denn vom Standpunkt des transzendentalen Idealismus aus erfolgt die Konstitution des fremden Bewußtseins durch den Rekurs auf die unmittelbaren Gegebenheiten des eigenen persönlichen Bewußtseins; welcher Rekurs seinerseits, als Bedingung meines persönlichen Bewußtseins, eben dessen numerische Identität bereits voraussetzt, die Kant bestreiten will. Kants Argumentation ist also zirkelschlüssig. Aber selbst wenn man über die logische Unzulässigkeit des Verfahrens hinwegsieht und es als Gedankenexperiment gelten läßt, dringt es nicht durch. Denn Kants Konstruktion verwechselt einmal die Objektivität des Selbstbewußtseins, die als Objektivität einzig immanent konstituierbar ist und Gültigkeit nur im Zusammenhang meiner

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