Gesammelte Werke
Erlebnisse als deren Regel hat, mit dem Begriff des Ich als eines Raumdinges, so wie sich
mir
das fremde Ich darbietet. Da aber die in Rede stehende Einheit allein die Einheit des Selbstbewußtseins, niemals aber die raumdingliche Einheit ist, so kann sie durch das Kantische Verfahren überhaupt nicht getroffen werden. Dann aber folgert Kant aus der Inkonstanz dieses von ihm eingesetzten Dinges die Inkonstanz des eigenen Ich, während auf Grund der ersten Analogie der Erfahrung das Ding gerade als die beharrliche Regel der wechselnden Erscheinungsmannigfaltigkeit zu gelten hätte, die ihrerseits, wenn sie einmal auf den Ichbegriff angewandt würde, dessen Konstanz nicht bloß nicht ausschlösse, sondern als notwendige Bedingung dieser Konstanz einsichtig würde. Durch ihre wechselnden Erscheinungsweisen wäre die Identität des Bewußtseins nicht im mindesten bedroht. Das panta rei hat an dieser konstanten Identität im Bereich möglicher Erfahrung in der Tat seine feste Grenze.
Das überaus naheliegende und plausible psychologistische Argument: daß in bestimmten Geisteskrankheiten – den unter der Gruppe der Schizophrenie zusammengefaßten – jene Identität faktisch aufgehoben sei, ist nicht stichhaltig. Denn es handelt sich hier um Verdinglichungen, die ihrerseits nur durch
meine
transzendentale Apperzeption zustande kommen, welche numerisch identisch bleibt. Die Erlebnisse eines Schizophrenen, soweit ihnen überhaupt ein Sinn zukommt und soweit ich sie irgend verstehen kann, charakterisieren sich eben doch als Erlebnisse eben
dieses
Bewußtseins und unterstehen damit dessen Einheit. Soweit seine
Beziehungsformen
gestört sind, kommt diesen Erlebnissen irgendwelche erfaßbare Objektivität nicht mehr zu. Für die Erkenntnis besteht dann das Problem, diese Störungen, und zwar auf Grund einer Analyse des unmittelbar Gegebenen, zu erklären, d.h. sie ihrerseits gesetzmäßig einsichtig zu machen. Die Gesetzmäßigkeit dieser Einsicht kann selbst aber wiederum nur die transzendentale Apparatur liefern. Sie durchzuführen bedarf es allerdings eines erkenntniskritisch geklärten Begriffs der psychischen Kausalität, über den wir noch nicht verfügen. Die relative Unlösbarkeit des Problems der Schizophrenie entspringt im übrigen nicht sowohl dem Problem der numerischen Identität als vielmehr der Unmöglichkeit, sich die unmittelbaren Gegebenheiten eines
fremden
Bewußtseins jemals evident zu machen, da seine Erlebnisse ja niemals
mir
unmittelbar gegeben sind. – Zu Recht besteht Kants Kritik aller Persönlichkeitsmetaphysik, und besondere Beachtung verdient der Satz aus der ersten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft, daß mit dem Begriff der Persönlichkeit ›nicht viel Staat zu machen‹ (K. d. r. V., 741f.) sei; ein Satz, den die Systeme des nachkantischen deutschen Idealismus gründlich vergaßen. – Eine Scheidung der Begriffe numerische Identität und Personalität liegt bei Kant überhaupt nicht vor. Auch sie gehörte in die transzendentale Seelenlehre.
Die Kritik des vierten Paralogismus gibt mit der Bestimmung des transzendentalen Idealismus, die ihn zum »empirischen Realismus« macht, den Grund einer Kritik des dogmatischen Idealismus ab, die zugleich auch für die Kritik der »Idealität des Bewußtseins« fundamental wäre. Kants in der Kritik jenes Paralogismus gebotene Bestimmungen würden dazu völlig ausreichen, da, wenn »die Vorstellungen meiner Selbst, als des denkenden Subjects, bloß auf den inneren, die Vorstellungen aber, welche ausgedehnte Wesen bezeichnen, auch auf den äußeren Sinn bezogen werden« (K. d. r. V., 745), damit eben bereits die einzig legitime Scheidung von innen und außen durchgeführt ist, vorausgesetzt nur, daß die Vorstellungen nicht phänomenalistisch auf die Einzelerlebnisse beschränkt werden, sondern im Sinne der Analogien der Erfahrung als erfahrungskonstituierend und im Rahmen der objektiv gültigen Transzendentalbedingungen gelten, womit das Problem des transzendenten Dinges an sich und damit die Ungewißtheit der Idealität beseitigt ist. Dann wäre zugleich auch der Gegenstand der transzendentalen Psychologie in einer für alle zukünftige Erfahrung gültigen Weise bestimmt und deren Stoffgebiet abgegrenzt. Denn da uns der transzendentale Gegenstand nicht, wie Kant behauptet, sowohl in Ansehung der inneren als äußeren Anschauung unbekannt (vgl. K. d. r. V., 746), sondern als gesetzmäßiger Zusammenhang der Phänomene – entweder als materielles
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