Gesammelte Werke
Zusammenhanges des unmittelbar Gegebenen herausgestellt. Es besteht also auch dem transzendentalen Aufbau nach zwischen den Bestimmungen des Phänomenalzusammenhanges und denen der objektiven gegenständlichen Erkenntnis keine Kluft; beide bezeichnen nur Stufen des Erkenntnisprozesses, die aus methodischem Zweck und abstraktiv ausgesondert worden sind; wobei daran erinnert werden mag, daß genetisch die Bestimmungen des Phänomenalen nicht einmal die früheren sind, sondern die dinglichen Begriffe ihnen überall vorangehen. Die Unterscheidung des phänomenalen und des empirischen Ich, auf die wir gestoßen sind, ist aber nicht etwa die Unterscheidung einer Sphäre der Apriorität von einer Sphäre der angeblich bloßen Empirie, sondern eben die Unterscheidung der Anwendung von erster und zweiter Kategorie auf das unmittelbar Gegebene; eine bloß methodische, ausschließlich durch Abstraktion von dem tatsächlichen Bewußtseinszusammenhang zu gewinnende Scheidung, der keinerlei gegenstandstheoretische Dignität zukommt. Mit dem phänomenalen Ich sind uns die Bedingungen für die Erkenntnis des empirischen vollständig gegeben. Wenn wir also auf Grund unserer Bestimmung des Transzendentalen als erfahrungskonstitutiven und notwendig auf Erfahrung bezogenen Grundes dazu kamen, die Scheidung zwischen transzendentaler und empirischer Psychologie abzulehnen, weil die synthetischen Urteile der letzteren die gleiche Gültigkeit wie die Bestimmungen der ersteren haben – alle synthetischen Urteile a priori stehen ex definitione hinsichtlich ihrer Gültigkeit auf gleicher Stufe –: so müssen wir die qualitative Differenz beider Wissenschaften jetzt darum ablehnen, weil ihre Gegenstände, das phänomenale Ich, nämlich der transzendental konstituierte Zusammenhang als solcher, und das empirische Ich, mit dem es die Psychologie zu tun hat, ihrem Aufbau nach identisch und methodisch reduzierbar sind. Der Grund beider Einsichten ist zutiefst der gleiche: die Zurückführung aller gültigen Erkenntnis auf den Zusammenhang des persönlichen Bewußtseins, der sich der Analyse, wo immer sie einsetzt, als transzendentaler Zusammenhang zu erkennen gibt; gleichgültig, ob es sich um allgemeine Urteile oder um Einzelprädikationen, um Begriffsbildungen der ersten oder der zweiten Kategorie handelt. Mit anderen Worten: durch die Reduktion aller allgemeingültigen Urteile auf die gleichen Zusammenhangsformen ist für alle solchen Urteile jede Scheidung nach »transzendentaler« und »empirischer« Struktur hinfällig. Die transzendentalen Bedingungen, so wie wir sie angesetzt haben, bedürfen in der gleichen Weise der Empirie – d.h. der Tatsache, daß uns etwas überhaupt gegeben ist –, wie die Empirie als Zusammenhang der transzendentalen Bedingungen bedarf. Da nun transzendentale und empirische Psychologie dem gemeinsamen Gegenstandstitel »Immanenzzusammenhang des Bewußtseins« unterstehen, so ist ihre prinzipielle Scheidung unzulässig. Es versteht sich von selbst, daß damit nicht etwa eine Konfusion der psychologischen Forschungsgebiete intendiert wird in der Weise, daß Bestimmungen von verschieden hohem Grad der Abstraktion miteinander vermengt werden. Die Differenzierung der Gegenstandsbereiche nach ihrer Allgemeinheitsstufe bleibt genau mit dem gleichen Rechte bestehen wie etwa die zwischen der theoretischen Physik und der physikalischen Analyse bestimmter mechanischer Phänomene, die ja auch zu apriorischen Urteilen führt. Von einem Unterschied der Gültigkeiten wagte, bei festgehaltenen Definitionen, hier niemand zu reden. Unsere Betrachtung wollte zunächst die psychologische Analyse, soweit sie sich von naturalistischen Setzungen frei hält, vor der Verdächtigung schützen, ihre Befunde seien nicht für alle Zukunft gesichert. Denn dies ist ja immer wieder mit dem Vorwurf »bloß empirischer« Dignität gemeint; nicht etwa die Methode der Feststellung der psychologischen Gesetzmäßigkeiten. Im übrigen zählen der psychologischen Analyse auch die höchsten idealgesetzlichen Erkenntnisse zu. Die Besonderheit derjenigen Analysen, die die transzendentalen Faktoren selbst herausarbeiten, soll damit keineswegs bestritten werden; nur: daß die Anwendung jener Erkenntnisse auf den Bewußtseinsverlauf geringere Gültigkeit habe. Die Suprematie der transzendentalen Faktoren den psychologischen Einzelfeststellungen gegenüber drückt sich vielmehr allein in der Zurückführbarkeit jener auf diese aus. In unserer Untersuchung
Weitere Kostenlose Bücher