Gesammelte Werke
haben wir es, wie es deren Absicht mit sich bringt, vorwiegend mit den allgemeinen Bestimmungen des Immanenzzusammenhanges zu tun; mit psychologischen Einzeleinsichten nur insoweit, wie wir die Anwendung unserer Erfahrungsbegriffe auf den psychischen Zusammenhang demonstrieren müssen.
Die durchgeführten Betrachtungen sind nicht sowohl wissenschaftstheoretisch als sachlich intendiert: einmal als Rechtfertigung unseres Verfahrens, das auf die Gewinnung allgemeingültiger Bestimmungen gerichtet ist, dann aber auch insofern, als unsere Überlegungen wesentlich das Problem lösen: ob überhaupt auf den Bewußtseinszusammenhang, der uns als dauernd bewegter und keineswegs substantieller gegeben ist, Begriffe der zweiten Kategorie ihre rechtmäßige Anwendung finden, was ja für unsere Kantkritik, die vom phänomenalen Ich ausging, noch dahinstand. Das Problem, das Eingangsproblem der »rationalen« Seelenlehre, besteht für uns nicht mehr. Da die Bestimmungen, mit denen es die transzendentale Psychologie zu tun hat, allesamt, wie aufgewiesen, auf den phänomenalen Zusammenhang zurückführbar sind, keinesfalls also Transzendenzen in die Analyse werfen, ist ihre Anwendbarkeit gesichert. Die Kantische Kritik der Substantialität als Unzerstörbarkeit, die wir akzeptiert hatten, wird durch sie nicht berührt: die einfache Überlegung, daß ja auch Raumdinge zerstörbar sind und daß für den Fortgang des Gedankens der Zerstörung der materiellen Welt keine positiven Grenzen gesetzt sind – nur der Gedanke an die vollendet gegebene Aufhebung der materiellen Welt als solcher führt zu Widersprüchen, weil der Begriff dieser Welt transzendental gegründet ist, nicht transzendent vorausgesetzt werden darf –, zeigt zur Genüge, daß mit der Anwendung von Begriffen der zweiten Kategorie über Substantialität keinesfalls mehr ausgemacht ist, als im System der Grundsätze für die Konstitution des psychischen Gegenstandes nachzuweisen wäre. Das vitalistische Argument: daß der Bewegtheit und Kontinuität des Bewußtseins »stromes« durch seine Einordnung in relativ statische dingliche Begriffe Gewalt angetan werde, läßt sich wirksam entkräften durch den Hinweis, daß die vermeintliche Gewalt eben von jener Bewegtheit erfordert wird, nicht allein um ihre Ordnung zu ermöglichen, was ohne weiteres erhellt, sondern auch weil sie, wofern sie nicht solchen Begriffen unterstünde, als eine bewegte Einheit gar nicht gedacht werden könnte, da ohne die Bedingungen, die unsere angebliche »Starrheit« ergeben, nicht einmal ein Erlebnis im Bewußtseinsverlauf als identischer Gegenstand der Erinnerung erkannt würde, womit die Kenntnis zeitlicher Relationen und damit die Kenntnis der »Bewegtheit« des Bewußtseinsverlaufs selber schlechthin unmöglich wäre. Im übrigen kommen auch vitalistische Theorien um den denkimmanenten Zwang zur Verdinglichung nicht herum; nur daß sie, anstatt der durch den Bewußtseinszusammenhang selbst sich ergebenden Beziehungsformen, andere, fremde Hilfsbegriffe – in metaphysischer Absicht – hineininterpretieren. Während beim phänomenalen Ich von unveränderlicher Substantialität darum nicht die Rede war, weil alle Begriffsbildungen der Substantialität die Anwendung der zweiten Kategorie voraussetzen, die für das phänomenale Ich ausgeschlossen war, haben wir es beim empirischen Ich allerdings mit Begriffsbildungen der zweiten Kategorie zu tun. Insoweit jedoch diese Begriffe der steten Korrektur durch die Erfahrung unterliegen, ist mit ihnen keineswegs Unveränderlichkeit behauptet, sondern sie verändern sich nach dem Maß der neuen Bestimmungen, die auf Grund der Erfahrung über die betreffenden Individualgesetze getroffen werden müssen. Unveränderlich ist nur das unmittelbar Gegebene als solches, das ja noch keinerlei objektive Bestimmtheit – deren Voraussetzung wir eben auszuschließen haben – aufweist; Veränderung aber kann nur dort ausgesagt werden, wo unter der erfüllten Bedingung B ein durch das Individualgesetz I definierter Gegenstand nicht das erwartete Phänomen P aufweist, dessen Eintritt vom Individualgesetz gefordert wäre. Das unmittelbar Gegebene ist als solches eindeutig bestimmt, und von seiner Veränderung kann keine Rede sein. Überall, wo es als verändert angenommen wird, hat bereits eine Verdinglichung stattgefunden. Von Substantialität im Sinne der Unveränderlichkeit wäre also am ehesten hinsichtlich des unmittelbar Gegebenen zu reden: nur daß gerade diese
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