Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
Vom Netzwerk:
in
objektive
Zusammenhänge als Erlebnis c rekognoszieren), reden wir von einer »unbemerkten Erinnerung« an c, wobei wir den Begriff Erinnerung allerdings nicht mehr in der ursprünglichen bloß phänomenalen Bedeutung, sondern als Erfahrungsbegriff anwenden; nämlich es bedeutet »Erinnerung«, bemerkte wie unbemerkte, dann die Regel für alle diejenigen Erlebnisse, durch die uns ein anderes Erlebnis mittelbar gegeben ist oder die, in gesetzmäßige Zusammenhänge eingeordnet, die mittelbare Gegebenheit eines anderen ergeben: so wie ich, wenn ich von meiner Erinnerung an ein Gedicht rede, damit auch nicht ein gegenwärtiges Erinnerungserlebnis bezeichne, sondern das Gesetz, das besagt, daß ich mich jederzeit an sämtliche einzelnen Bestandteile jenes Gedichtes erinnern könne. Erinnerung als solche im ursprünglichen Sinn des Wortes müßte uns ja immer unmittelbar gegeben sein; die Erinnerung an c jedoch ist uns nicht unmittelbar gegeben, sondern kann erst auf Grund der dem Erlebnis a anhaftenden Gestaltqualität erschlossen werden; womit nichts anderes ausgesagt ist als daß wir, wenn wir den melodischen Zusammenhang des Tones a mit vorhergehenden kennen, ohne daß unserem Tonbewußtsein dieser Ton c gegenwärtig wäre, diesen Ton c
finden
können. Der Zusammenhang zwischen den beiden Erlebnissen c und a – eben die Relationsfärbung – ist ein gesetzmäßiger Zusammenhang, der auf Grund der Bewußtseinseinheit überall zwischen Erlebnissen von der Form c-a bestehen muß und den wir darum legitimerweise einem Erfahrungsbegriff subsumieren. Mit dieser Subsumption ist uns eine erste beharrliche Begriffsbildung hinsichtlich des Immanenzzusammenhanges des Bewußtseins gegeben. Diese Weise der Begriffsbildung aber ist von allgemeiner Bedeutung insofern, als die »Nachwirkung« eines Erlebnisses nicht auf das nächstfolgende beschränkt bleibt, sondern sich als durchwegs verifizierbare Erscheinung darstellt, die wir ihrerseits wieder unter einen Erfahrungsbegriff bringen: so zwar, daß wir von bleibenden Erinnerungen an Erlebnisse reden; womit gemeint ist, daß wir durchgehends »unbemerkte Erinnerungen« im dargelegten Sinn unter dem gemeinsamen Namen einer »Erinnerung an« jene Erlebnisse zusammenfassen, auch ohne daß im einzelnen die darunter befaßten Erlebnisse uns gegenwärtig sein müßten. Damit ist eine weitere wichtige Bestimmung der zweiten Kategorie für den Immanenzzusammenhang des Bewußtseins gewonnen. »In einem einzigen Symbole« wird der »gesetzmäßige Wandel der verschiedenen Erscheinungen« 16 vereinigt. Diese Bestimmtheit unseres Bewußtseins durch die vorangegangenen Erlebnisse, auch sofern jene nicht einzeln erinnert werden, ist eine
allseitige:
denn jedes Erlebnis steht in Gestaltrelation zu den ihm vorangehenden und, da für jenes das gleiche gilt, zu
allen
früheren Erlebnissen des betreffenden Bewußtseinsverlaufes, so daß als eine allgemeine transzendental begründete Gesetzmäßigkeit unseres Bewußtseinsverlaufes sich ergibt, daß jedes einzelne unserer Erlebnisse abhängig ist von der Gesamtheit aller unserer früheren Erlebnisse, was wir auch in der Form aussprechen können, daß das empirische Ich der gesetzmäßige Erwartungszusammenhang für alle unsere Einzelerlebnisse ist, wodurch das empirische Ich in seiner Konstitution als Erfahrungsbegriff
inhaltlich
bestimmt wird.
    Der besprochene Mechanismus der unbemerkten Erinnerung gilt nun aber nicht bloß für die Erinnerung an alle einzelnen Erlebnisse, sondern auch für deren Zusammenhang untereinander; auch »die Nachwirkungen erlebter Complexe« sind »bleibende Factoren unserer Persönlichkeit« 17 . Dieser Tatbestand ist der rechtmäßige Grund der Rede von psychischen
Dispositionen.
Mit dem Bestehen solcher Dispositionen wird nichts anderes behauptet, als daß unbemerkte Erinnerungen an Komplexe vorliegen, d.h. daß wir einen Zusammenhang von Einzelerlebnissen, ohne daß er ausdrücklich erinnert wäre, unter einen Begriff subsumieren und bei Erfüllung der von diesem Begriff verlangten Bedingungen mit der Erinnerung an einen einzelnen diesem Zusammenhang angehörigen Tatbestand uns zugleich an den ganzen Tatbestand erinnern, eine Tatsache, die für die Anwendung unserer Begriffe auf die psychologische Forschung von höchster Wichtigkeit ist. Bei alldem ist wohl zu bemerken: daß die Rechtsquelle dieser Begriffe insgesamt, nämlich die Möglichkeit, über die Wahrheit oder Unwahrheit derjenigen Existenzialurteile die

Weitere Kostenlose Bücher