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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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regelhaft ein anderes Phänomen auf, so hat das Ding sich verändert. Die Erkenntnis steht dann vor der Aufgabe, ein allgemeineres Gesetz anzugeben, das das Nichteintreten des erwarteten Phänomens erklärt; mit anderen Worten: die Veränderung des Dinges kausal zu bestimmen. Diese Veränderung kann nach den durchgeführten Betrachtungen in zweierlei Weise geschehen: entweder die Veränderung kann in
physischen
Veränderungen ihren Grund haben (Aphasien Hirnverletzter); oder die höhere Gesetzmäßigkeit, die die Änderung bedingt, kann ihrerseits wieder eine
psychische,
im oben bestimmten, engeren Sinne, sein. Über das reale Verhältnis beider Erklärungsweisen zueinander könnte allein die Anwendung der hier gebotenen Bestimmungen auf psychologische Spezialergebnisse völligen Aufschluß geben. Hier ist nur an die prinzipielle
Möglichkeit
beider Erklärungsweisen zu erinnern. Auch das Problem der Grenze psychischer Kausalität im landläufigen Sinne, nämlich das Problem der
Willenshandlung,
die ihrerseits in einem nicht weiter reduzierbaren Tatbestand ihre Wurzel hat, bleibt hier zunächst außer Betracht.
    Unsere nächste Aufgabe ist, auf Grund der durchgeführten Untersuchungen den Begriff des Unbewußten positiv zu bestimmen, zu klären und zu differenzieren. Die Elemente dazu hat die Betrachtung des empirischen Ich und der Konstitution der Seelendinge vollständig geliefert.
     

3. Der Begriff des Unbewußten
     
    Die Disjunktion zwischen unmittelbar und mittelbar Gegebenem ist die kardinale Unterscheidung der transzendentalen Betrachtung des Bewußtseins. Der Unterschied zwischen unseren Erlebnissen selbst und den Gegenständen, von denen sie uns Kunde geben, ist der letzte, auf den die Analyse überhaupt stoßen kann. Die Erlebnisse sind als solche vollständig bestimmt. Sie können zwar Eindrücke sein oder ideas im Humeschen Sinn oder Gefühle, aber sie bleiben stets doch absolut eindeutig die Phänomene, als die sie uns gegeben sind. Anders das mittelbar Gegebene. Es kann in weitem Umfang unbestimmt, es kann selbst wiederum zu einer anderen Zeit Erlebnis gewesen sein, z.B. wenn ich mich an eine stattgehabte Tonempfindung erinnere; oder es ist nicht Erlebnis gewesen, sondern durch unser gegenwärtiges Erlebnis kommt uns auf Grund des Wiedererkennens einer Tatsache, die ihrerseits als einem Komplex angehörig erinnert wird, ein Zusammenhang von Erlebnissen zur Gegebenheit. Wir reden danach von mittelbar gegebenen
realen
und mittelbar gegebenen
idealen
Inhalten. Ideale Gegenstände können stets
nur
mittelbar gegeben sein, da sie selbst ja nie Erlebnisse, sondern stets nur Zusammenhänge von Erlebnissen sind.
    Die Anwendung der hier wiederholten Bestimmungen auf die Dingbegriffe des empirischen Ich, deren Art und Mechanismus wir untersucht haben, führt uns zu den Bestimmungen des Begriffs des Unbewußten, den zu gewinnen wir uns als Aufgabe gesetzt haben: nämlich eines Begriffs des Unbewußten, der von aller metaphysischen Setzung und aller Dogmatik frei ist; der seinen Rechtsausweis ausschließend im Zusammenhang des persönlichen Bewußtseins findet und der sich als eine gesetzmäßige Form dieses Zusammenhanges erweist.
    Da nach der landläufigen Terminologie alles, was zum Bewußtseinszusammenhang gehört, bewußt genannt wird, und der Begriff des Unbewußten, den wir bestimmen wollen, seinerseits auch streng dem Bewußtseinszusammenhang angehören soll, so sehen wir uns zunächst im Sinne unserer »kritischen Vorerwägungen« genötigt, den Begriff des
Bewußten
einzuschränken. Wir nennen also bewußt alle unsere
Erlebnisse:
zunächst unsere gegenwärtigen Erlebnisse ohne alle Einschränkung, da ja der letzte Ausweis alles Bewußtseins in der phänomenalen Gegebenheit liegt und darum auf sie ausnahmslos angewandt werden muß; so daß also, wie vorweg festgehalten sei, um alles Mißverständnis auszuschließen, von
gegenwärtigen unbewußten
Erlebnissen niemals die Rede sein kann. Weiter jedoch nennen wir bewußt alle diejenigen
vergangenen
Erlebnisse, die uns durch gegenwärtige Erlebnisse der Erinnerung deutlich und unterschieden gegeben sind. Wir nennen endlich bewußt alle jene gesetzmäßigen Zusammenhänge unserer Erlebnisse, von denen uns nicht nur durch das Gesetz einzelne darunter fallende Phänomene bekannt – d.h. in aktueller Erinnerung gegeben – sind, sondern bei denen wir alle unter sie fallenden Einzelphänomene deutlich und unterschieden kennen; wobei wir es dahingestellt sein

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