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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Ausweis dieser Verknüpftheit bieten allemal freilich allein die Empfindungen und ihr Zusammenhang. Aber nach der Beseitigung der Transzendenz des Räumlichen ist dieser Zusammenhang durchaus möglich; in der Weise nämlich, daß wir ein Gesetz aufstellen, nach dem allemal, wo das objektiv räumliche Ding sich ändert – d.h. wo wir nicht die erwarteten Phänomene von ihm, sondern neue haben – nicht allein eine andere Empfindung als die erwartete eintritt, sondern damit auch der objektive seelendingliche Zusammenhang, dem die Empfindung angehört – etwa unsere »Stimmung« – sich ändert; welche Veränderlichkeit, wofern sie ihrerseits konstant ist, wir wieder in der Form eines Gesetzes auszusprechen in der Lage sind. Unser »Innenleben« kann sehr wohl von der Außenwelt abhängig sein, wofern nur diese Außenwelt nicht ontologisch als Transzendenz, sondern als eine bestimmte Weise der Begriffsbildung, die unseren Erlebniszusammenhang unter sich befaßt, verstanden wird. Paradox gesagt: weil der objektive Raum selbst »psychisch« konstituiert ist, deshalb kann unsere psychische Welt von der Welt im objektiven Raum abhängig sein. Die Paradoxie löst sich sofort auf, wenn wir den Begriff des Psychischen von einer Äquivokation reinigen, die ihm in unserer Bestimmung noch anhaftet: wenn von der psychischen Konstitution des Raumes die Rede ist, so ist der Begriff »psychisch« im weitesten Sinne gefaßt: als Inbegriff aller unserer Erlebnisse und ihrer gesetzmäßigen Zusammenhänge. Dagegen heißen »unsere psychische« Welt allein diejenigen gesetzmäßigen Zusammenhänge, die wir nicht objektiv räumlich bestimmen. Nach dieser Korrektur hat unser Satz seine exakte Gültigkeit. Mit ihm ist der Grund gelegt zu einer transzendental-idealistischen Theorie der Abhängigkeit des Seelischen vom Leiblichen, die weder der Voraussetzung räumlicher Transzendenz bedarf, noch jemals die Empfindung mit dem Ding verwechselt; die sich also widerspruchsfrei dem System des transzendentalen Idealismus einfügt. Wir werden ihr, ohne sie im Rahmen dieser Arbeit entfalten zu können, bei der Diskussion der Kausalität des Unbewußten wiederbegegnen. Zu ihrer Durchführung sowohl dem Substantialitäts- wie dem Immaterialitätsproblem gegenüber bedurfte es der Kenntnis des Mechanismus der Begriffsbildung der zweiten Kategorie. Wir mußten darum den Zusammenhang mit der Kantischen Untersuchung völlig aufgeben.
    Es bleibt uns nach unserer umfassenden Bestimmung des Begriffs des empirischen Ich übrig, die Art der Anwendung von Erfahrungsbegriffen auf den Immanenzzusammenhang selber kurz darzustellen. Maßgebend für diese Anwendung ist überall und zuvorderst die Tatsache der
Einheit
unseres Bewußtseins, d.h. daß wir es nicht, wie die Humesche Kritik des Ichbegriffs es meinte, mit einem Bündel einzelner perceptions, sondern mit deren Zusammenhang zu tun haben. Insoweit uns jedes einzelne unserer Erlebnisse als diesem Zusammenhang zugehörig gegeben ist, ist uns mit jedem unserer Erlebnisse bereits etwas anderes gegeben als nur dies Erlebnis, nämlich eben seine Zugehörigkeit zum Ganzen. Damit ist der erste Grund für die Bildung beharrlicher, dem Fluß des Bewußtseinszusammenhangs enthobener Begriffe gegeben. Wir pflegen dieses allgemeinste Bewußtsein der empirischen Einheit des Ich als
Gefühl
der Einheit (Cornelius), der Zugehörigkeit jedes Einzelerlebnisses zum Bewußtseinsverlauf auszusprechen. Die Tatsache der Zugehörigkeit zum gleichen persönlichen Bewußtsein ist uns mit jedem einzelnen Erlebnis als eine diesem anhaftende
Gestaltqualität
gegeben. Die Tatsache der Gestaltqualität wird uns – wir beziehen uns hier durchwegs auf die Ausführungen von Cornelius in der »Einleitung in die Philosophie« – im Bereich der
Erinnerung
zum wichtigsten Grund der Erkenntnis bleibender Bestandteile der Persönlichkeit. Es mag an dieser Stelle der Hinweis auf die Analyse des Melodieschrittes c-a in der »Einleitung« von Cornelius genügen, die ergibt, daß, wenn auch der Ton c nicht »ausdrücklich« als solcher erinnert wird, doch der darauf folgende Ton »anders klingt« als nach fis oder d. Insofern wir also das gegenwärtige Erlebnis a durch das – im Augenblick nicht erinnerte – Erlebnis c beeinflußt finden (eine populäre Redeweise; streng müßte es heißen: das Erlebnis sei uns in Form eines gestaltmäßigen Zusammenhanges mit einem andern Erlebnis gegeben, welches wir erst auf Grund seiner Einfügung

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