Gesammelte Werke
Terminus als
psychische Dingwelt
zu bezeichnen. Der von der Gestalttheorie herstammende Begriff der psychischen Dingwelt ist gebildet in dem richtigen Bestreben, der Atomistik der Wahrnehmungsanalysen der experimentellen Psychologie des neunzehnten Jahrhunderts den Hinweis auf die Beziehungsformen zu kontrastieren, die, wie wir sahen, in ganzem Umfang auch für das »Innenleben« gelten und die diesem in der Tat dinglichen Charakter verleihen. Im übrigen aber ist der gestalttheoretischen Interpretation der psychischen Dingwelt zu entgegnen, daß diese Dingwelt, ebenso wie die räumliche, uns nur
mittelbar
gegeben ist; wie ja der Begriff der Dinglichkeit überhaupt wesentlich im Begriff des mittelbaren Gegebenseins sein Fundament hat; während die Gestalttheorie aus Furcht vor jeder Merkmalatomistik sie zu einer unmittelbar gegebenen machen will; wobei es nicht ausbleiben kann, daß sie die psychische Dingwelt, um deren Aufbau es ihr geht, mit der Gesamtheit der sinnlichen Eindrücke verwechselt und es schließlich fertig bringt, aus der psychischen Dingwelt die räumliche zu machen. Wir halten uns demgegenüber der mittelbaren Gegebenheit der psychischen Dinglichkeit versichert. Der Einwand der Merkmalatomistik, des »nachträglichen Hineininterpretierens von später erst vollzogenen Unterscheidungen in die Ganzheit des Phänomenalen«, schreckt uns dabei nicht. Das unmittelbar Gegebene haben wir überhaupt nicht zu interpretieren, es ist da, und indem wir es interpretieren, ist es uns bereits mittelbar gegeben. Die Analyse des mittelbar Gegebenen jedoch hat alle die Bestimmungen zu berücksichtigen, durch die es sich im Bewußtseinsverlauf konstituiert. Die erste jener Bestimmungen aber ist die Unterscheidung von Ganzen und Teilen. Da weiterhin ohne die Ordnungsfaktoren des Bewußtseins niemals auch nur die Zugehörigkeit eines Erlebnisses zu einem anderen erkennbar wäre, mithin die von der Gestalttheorie prätendierte Einheit des Gegenstandes völlig hypothetisch bliebe, nehmen wir keinen Anstand, die Bedingungen dieser Ordnung analytisch herauszuarbeiten, wohl wissend, daß sie im empirischen Bewußtseinsverlauf niemals isoliert, sondern stets nur auf die Mannigfaltigkeit der Erfahrung bezogen und gemeinsam vorkommen. Die Einheit des Gegenstandes jedoch wird uns durch die transzendentale Struktur jener Bedingungen garantiert, die unter einem einheitlichen Erwartungszusammenhang eben jeweils
ein
Ding befassen. Da wir den Grund der dinglichen Begriffsbildungen in dem Zusammenhang der Erlebnisse, nicht in deren Vereinzelung sehen, komponieren wir die Dinge genauso wenig atomistisch wie die Gestalttheorie. Ja, der Grund für die Dingbegriffe ist uns ja im tiefsten das Wiedererkennen von Sukzessivkomplexen und hat damit in dem gestaltqualitativen Verhältnis der Erlebnisse untereinander seinen eigentlichen Grund. Aber der Gedanke der Einheit darf uns nicht dazu verführen, die real vorfindlichen Tatsachen der begrifflichen Sonderung zu übersehen, ohne die jene Einheit selbst ein Nonsens wäre.
Die Seelendinge in ihrer Gesamtheit ordnen sich als allgemeinstem Begriff ein dem Begriff des empirischen Ich oder vielmehr: die Seelendinge insgesamt und in ihrem Zusammenhang
sind
das empirische Ich. Da die Forderung der begrifflichen Ordnung des Gegebenen allgemein als transzendental vorgezeichnete Forderung besteht, so müssen sich
alle
einzelnen Erlebnisse unter Gesetze bringen, als Erscheinungen von Seelendingen verstehen lassen. Ein Erlebnis, das sich nicht als Erscheinung einem Seelending zuordnete, wäre damit außerhalb des Bewußtseinszusammenhanges; was zu denken nicht angeht. Die vom Einzelerlebnis unabhängige Beharrlichkeit der Seelendinge ist keineswegs identisch mit ihrer Unveränderlichkeit. Jedes neue Erlebnis ist eine neue Erscheinung des Seelendinges, dem es zugehört, und bietet damit die Möglichkeit neuer Bestimmungen dieses Dinges. Werden dem Seelending neue Bestimmungen hinzugefügt, die der Definition des Subjektsbegriffs nicht widersprechen, so mögen sie mit den bisher festgestellten Merkmalen zu einer spezielleren Definition vereinigt werden. Dem Fortgang in der Vollständigkeit der Bestimmung eines Seelendinges ist theoretisch keine positive Grenze gesetzt, so daß den Seelendingen mit dem Fortschreiten der Erfahrung möglicherweise immer neue Eigenschaften zuerkannt werden. Tritt anstelle eines bisher regelhaft beobachteten Phänomens eines Seelendinges unter Erfüllung konstanter Bedingungen
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