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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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den Nabel freiließ, und einen langen, durchsichtigen Schal um den Hals. Sie war so frisch und prall wie ein noch nicht ganz reifer Apfel. Zum Reinbeißen.
    »Ich warte und warte den ganzen Tag auf ihn, und er liegt hier herum. Tut Ihnen was weh?«
    Ich stand auf und schlüpfte in die Schuhe. »Setzen Sie sich, Wusi.« Ich klopfte neben mir auf die Liege.
    »Ich setze mich nicht zu Ihnen«, erwiderte sie. »Aha, er liest also. Wenn er mir wenigstens was zu trinken anbieten würde.«
    »Da ist die Bar«, sagte ich. »Was macht die sabbernde Kuh?«
    »Heute war sie Gott sei Dank nicht da«, antwortete Wusi und sah in die Bar. »Dafür hatte ich die Bürgermeisterin auf dem Hals. Die ist vielleicht blöd! Also, warum liebt sie keiner? Ja, weswegen soll man sie denn lieben? … Wollen Sie mit Soda? … Weiße Augen, rote Fresse und ein Hintern wie ein Sofa – der reinste Frosch, wahrhaftig … Hören Sie, machen wir einen ›Iltis‹. Jetzt trinken alle ›Iltis‹.«
    »Ich will nicht machen, was alle machen.«
    »Das sehe ich. Alle gehen spazieren, er aber liegt hier herum. Und liest obendrein!«
    »Er ist müde«, sagte ich.
    »Ach so? Dann kann ich mich ja empfehlen!«
    »Ich lasse Sie aber nicht gehen«, entgegnete ich, ergriff sie beim Schal und zog sie neben mich. »Wusi, Mädchen, sind Sie nur Spezialistin für die gute Laune von Damen oder auch ganz allgemein? Können Sie nicht einen einsamen Mann, den keiner liebt, in gute Laune versetzen?«
    »Weshalb soll man Sie lieben?« Sie musterte mich. »Rote Augen, Kartoffelnase …«
    »Ein richtiges Krokodil.«
    »Ein richtiger Köter. Keine Umarmungen, ich erlaube das nicht. Warum sind Sie nicht zu mir gekommen?«
    »Und warum haben Sie mich gestern im Stich gelassen?«
    »Prost Mahlzeit, ich hab ihn im Stich gelassen!«
    »Allein, in einer fremden Stadt …«
    »Ich hätte ihn im Stich gelassen! Ich habe Sie doch überall gesucht! Und jedem erzählt, Sie wären Tunguse. Aber Sie waren spurlos verschwunden – das war nicht schön von Ihnen. Nein, das erlaube ich nicht! Wo sind Sie gestern gewesen? Sicherlich haben Sie gefischt? Und heute erzählen Sie wieder nichts.«
    »Wieso erzähle ich nichts?«, widersprach ich. Dann erzählte ich ihr von der Alten Metro. Sofort spürte ich, dass die Wahrheit nicht genügte, und erzählte von Menschen mit Metallmasken, von einem unheimlichen Schwur, von einer bluttriefenden Wand, von einem schluchzenden Skelett – allerlei tischte ich ihr auf und ließ sie die Beule hinterm Ohr befühlen. Das alles gefiel ihr sehr.
    »Nun kommen Sie endlich«, forderte sie.
    »Um keinen Preis«, sagte ich und legte mich hin.
    »Was sind das für Manieren? Stehen Sie sofort auf, und dann gehen wir! Mir glaubt nämlich keiner! Sie werden Ihr Horn vorzeigen, und dann ist alles in Ordnung.«
    »Und nachher gehen wir zum Bibberlein?«, erkundigte ich mich.
    »Ja, ja! Wissen Sie, das soll sogar gut für die Gesundheit sein!«
    »Und werden wir Brandy trinken?«
    »Brandy, Wermut, ›Iltis‹ und auch Whisky …«
    »Genug, genug … Und dann werden wir in einem Auto bei Tempo hundertfünfzig knutschen? … Hören Sie, Wusi, was soll das?«
    Sie begriff schließlich und lächelte verwirrt.
    »Ist das denn schlecht? Die Fischer gehn doch auch hin.«
    »Nein, es ist nicht schlecht«, sagte ich. »Aber was ist gut daran?«
    »Weiß ich nicht. Alle machen das. Manchmal ist es sehr lustig. Auch das Bibberlein. Beim Bibberlein erfüllt sich immer alles.«
    »Alles?«
    »Nun, nicht alles, natürlich. Aber woran man denkt, was man gerade möchte, das erfüllt sich oft. Wie im Traum.«
    »Dann sollte man sich vielleicht besser schlafen legen?«
    »Na ja!«, sagte sie ärgerlich. »In einem richtigen Traum kommt alles Mögliche vor. Als wüssten Sie das nicht! Doch beim Bibberlein kommt nur das, was man möchte!«
    »Und was möchten Sie?«
    »Nun … so allerlei …«
    »Und vor allem? Lassen Sie mich ein Zauberer sein! Und ich sage Ihnen: Denken Sie sich drei Wünsche aus. Beliebige, was Sie wollen. Die märchenhaftesten. Ich werde sie Ihnen erfüllen. Einverstanden?«
    Sie überlegte so angestrengt, dass sogar ihre Schultern nach unten sackten. Dann leuchtete ihr Gesicht auf.
    »Dass ich niemals alt werde!«, erklärte sie.
    »Ausgezeichnet«, sagte ich. »Erstens.«
    »Dass ich …«, begann sie begeistert und verstummte.
    Ich liebte es, meinen Bekannten diese Frage zu stellen, und tat es bei jeder Gelegenheit. Einige Male hatte ich sogar meine Kinder

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