Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Aufsätze zum Thema »Drei Wünsche« schreiben lassen. Und ich fand es immer sehr interessant, dass es von tausend Männern und Frauen, Greisen und Kindern höchstens einer Handvoll, sagen wir zwanzig bis dreißig Leuten, einfiel, nicht nur für sich persönlich oder für ihre Nächsten etwas zu wünschen, sondern auch für die große Welt, für die Menschheit insgesamt. Nein, es war kein Beweis für die Unausrottbarkeit des menschlichen Egoismus, die Wünsche waren auch keineswegs immer egoistisch, und die meisten der Befragten besannen sich später eines anderen, wenn ich ihnen die versäumten Möglichkeiten und die großen menschlichen Probleme vor Augen hielt; dann ärgerten sie sich ehrlich und aufrichtig und warfen mir vor, dass ich sie nicht gleich darauf hingewiesen hatte. Wie dem auch sei, sie alle begannen ihre Antwort ungefähr so: »Dass ich …« Hier äußerte sich die jahrhundertealte unterbewusste Überzeugung, dass persönliche Wünsche in der großen Welt nichts ändern könnten – gleichgültig, ob man einen Zauberstab hatte oder nicht …
»Dass ich …«, setzte Wusi wieder an. Ich beobachtete sie verstohlen. Sie bemerkte das, lächelte strahlend, winkte ab und sagte: »Also wirklich … Sind Sie ein Quatschkopf!«
»Nein, nein!«, wehrte ich ab. »Auf diese Frage muss man vorbereitet sein. Ein Bekannter von mir stellte jedem diese Frage, später jammerte er: ›Ach, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen … So eine Gelegenheit zu verpatzen!‹ Und das war völlig ernst. Ihr erster Wunsch lautet also: niemals alt werden. Und weiter?«
»Was weiter? Ach so, ja, einen hübschen Burschen müsste man haben, dem alle nachlaufen, aber er müsste nur für mich da sein. Immer.«
»Vorzüglich«, sagte ich. »Das wäre Wunsch zwei. Und zum Schluss?«
Ihrer Miene war anzusehen, dass das Spiel sie bereits langweilte und sie gleich mit etwas herausplatzen würde … Und sie platzte mit etwas heraus, dass ich nur so mit den Augen klapperte.
»Ja«, sagte ich. »Selbstverständlich. Aber das geht auch ohne Zauberei.«
»Wie man’s nimmt«, entgegnete sie und begann, ihren Gedanken weiterzuentwickeln, wobei sie sich auf die Missgeschicke ihrer Kundinnen stützte. All das war sehr lustig und unterhaltsam für sie, während ich, schmählich um meine Selbstsicherheit gebracht, Brandy mit Zitronensaft trank und verlegen kicherte. Ich fühlte mich wie ein Mauerblümchen. Tja, wäre das in einer Kneipe passiert, hätte ich gewusst, wie ich mich zu verhalten hatte. Also, nein … so was. Nette Sachen trieben sie in den Gute-Laune-Salons. Immer munter drauflos, diese Alten …
»Pfui«, sagte ich schließlich. »Wusi, Sie bringen mich in Verlegenheit. Und außerdem habe ich schon verstanden. Ohne Zauberei scheint das tatsächlich nicht zu gehen. Gut, dass ich kein Zauberer bin!«
»Jetzt hab ich’s Ihnen aber gegeben!«, rief Wusi vergnügt. »Was würden Sie sich denn wünschen?«
Da beschloss ich, ebenfalls ein bisschen zu scherzen. »Ich brauche so etwas nicht«, antwortete ich. »Gar nichts dergleichen. Ich würde eher einen richtig guten Sleg wollen.«
Sie lächelte fröhlich.
»Drei Wünsche brauche ich nicht«, erklärte ich. »Mir genügt einer.«
Sie lächelte immer noch, aber ihr Lächeln wirkte auf einmal verwirrt, dann wurde es schief und schließlich verschwand es. »Was?«, stammelte sie mit weinerlicher Stimme.
»Wusi!«, rief ich und stand auf. »Wusi!«
Es war, als sei sie völlig ratlos. Sie sprang auf, setzte sich, sprang erneut auf. Das Tischchen mit den Flaschen kippte um. Sie hatte Tränen in den Augen und sah aus wie ein Kind, das man unverschämt, grausam und höhnisch betrogen hat. Plötzlich biss sie sich auf die Lippe und schlug mir mit ganzer Kraft ins Gesicht – einmal und noch einmal. Während ich nur zwinkerte, stieß sie, jetzt schon weinend, das Tischchen beiseite und rannte hinaus. Ich saß mit offenem Mund da. Im dunklen Garten jaulte ein Motor auf, Scheinwerfer flammten auf, das Motorengeräusch flog über den Hof, die Straße entlang und verstummte in der Ferne.
Ich betastete mein Gesicht. Netter Scherz! Nie im Leben hatte ich so effektvoll gescherzt. Alter Esel … Da hast du deinen Sleg …
»Darf ich?«, fragte Len. Er stand in der Tür, und er war nicht allein. Neben ihm stand ein mürrischer, kahlgeschorener Junge mit Sommersprossen. »Das ist Rjug«, stellte Len ihn vor. »Kann er auch hier übernachten?«
»Rjug«, sagte ich nachdenklich und strich
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