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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Ihnen gegeben? Wusi?«
    »Nein.«
    Flehend blickte er mich an. »Iwan, nehmen Sie es heraus!«
    »Gut«, sagte ich. »Ich nehme es heraus. Lauf spielen. Und hab niemals Angst vor mir, hörst du?«
    Wortlos ging er hinaus. Ich blieb im Sessel sitzen, die Arme auf dem Tisch, und bald darauf hörte ich ihn im Fliedergebüsch unter den Fenstern. Er raschelte, trampelte, murmelte etwas und schrie im Selbstgespräch leise auf. »… Bringt die Flaggen und pflanzt sie hier auf, und hier und hier … Da … da … da … Und dann bin ich ins Flugzeug gestiegen und in die Berge geflogen …« Wann mag er schlafen gehen?, dachte ich. Hoffentlich um acht oder wenigstens um neun … Ach, ich hätte das alles gar nicht anfangen sollen, dann würde ich mich jetzt im Badezimmer einschließen, und in zwei Stunden wüsste ich über alles Bescheid, aber nein, ich konnte es ihm nicht abschlagen … Versetz dich mal in seine Lage … Obwohl, das ist keine Methode, ich bin zu nachsichtig gegen seine Ängste, ich hätte überlegen und mir etwas Probateres ausdenken sollen, aber versuch das mal, das ist hier schließlich nicht das Internat von Anjudin … Und wie es nicht das Internat von Anjudin ist, aber was steht mir jetzt bevor, welcher Kreis des Paradieses? Kitzeln darf man mich allerdings nicht, das halte ich nicht aus. Und die Fischer sind vielleicht auch ein Kreis des Paradieses, sicherlich ein Mäzenatentum für Aristokraten des Geistes, während es die Alte Metro für all diejenigen gibt, die ein bisschen einfältig sind, die Intels sind zwar ebenfalls Aristokraten des Geistes, aber die saufen wie die Löcher und sind zu nichts mehr zu gebrauchen, zu viel Hass, zu wenig Liebe, Hass ist leicht zu lernen, Liebe – schwer … Außerdem hat man die Liebe zu sehr strapaziert und begeifert, sie ist passiv, merkwürdigerweise ist sie immer passiv, der Hass dagegen ist aktiv und deshalb so attraktiv. Man sagt auch, dass der Hass von der Natur kommt, die Liebe aber vom Geist, von viel Geist, dennoch wäre es nicht schlecht, mal mit den Intels zu reden, sie sind ja wohl nicht alle Dummköpfe und Hysteriker, womöglich gelänge es, dort den Menschen zu finden … Was ist eigentlich von Natur aus gut am Menschen? Ein Pfund der grauen Substanz, aber auch das ist nicht immer gut … So muss der Mensch stets auf kahler Stelle anfangen, schön wäre es, wenn man soziale Eigenschaften einfach erben würde; dann wäre Len allerdings ein kleiner Generaloberst, nein, lieber nicht, lieber auf kahler Stelle, selbstverständlich würde er vor nichts Angst haben, dafür würde er den anderen Angst machen, die nicht Generaloberst sind …
    Ich zuckte zusammen, weil ich auf dem Apfelbaum gegenüber Len sitzen sah. Er starrte mich an und war im nächsten Augenblick verschwunden, die Zweige knackten, und es regnete Äpfel herab. Nie und nimmer glaubt er mir, dachte ich. Niemandem glaubt er. Glaube ich denn jemandem in dieser Stadt? Ich ging alle durch, die mir einfielen. Nein, ich glaubte keinem. Ich nahm den Hörer ab, rief im »Olympic« an und bat, mich mit Zimmer achthundertsiebzehn zu verbinden.
    »Ja, bitte«, sagte Oscars Stimme.
    Ich schwieg, die Muschel hatte ich mit den Fingern bedeckt.
    »Hallo!«, sagte Oscar ärgerlich. »Das ist schon das zweite Mal«, sagte er zu jemandem. »Hallo! – Aber nein, was soll ich hier für Frauen haben!« Er hängte auf.
    Ich nahm einen Band von Minz, legte mich im Salon auf die Liege und las, bis es dämmerte. Ich liebe Minz sehr, aber ich wusste danach überhaupt nicht, was ich gelesen hatte. Lärmend fuhr die Abendschicht vorbei. Waina gab Len zu essen, stopfte ihn mit Milchbrei aus Hafermehl voll. Len bockte, jammerte, doch sie redete ihm freundlich und geduldig zu. Zöllner Peti sagte in Kommandoton, aber durchaus gutmütig: »Man muss essen, man muss essen, wenn die Mama das sagt – man muss essen, basta …« Zwei den Stimmen nach aufgekratzte junge Männer erschienen, fragten nach Wusi und scherzten mit Waina. Offenbar waren sie betrunken. Es wurde rasch dunkel. Um acht klingelte im Arbeitszimmer das Telefon. Ich lief barfuß hin und nahm den Hörer ab. Niemand meldete sich. Aha, wie man in den Wald hineinruft … Um zehn nach acht wurde an die Tür geklopft. Ich freute mich, weil ich dachte, es sei Len, doch es war Wusi.
    »Warum lassen Sie sich nicht blicken?«, fragte sie empört noch an der Schwelle. Sie trug Shorts, auf denen ein zwinkerndes Gesicht dargestellt war, eine enge, ärmellose Weste, die

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