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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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lange davon sprechen, dass es nicht so einfach ist, dem Menschen das angeborene Streben, gegen die Stagnation zu kämpfen, gegen den Tod, die Ruhe und den Rückschritt, aus dem Leib zu reißen. Dein Sleg ist wie eine Atombombe – nur mit verzögerter Wirkung und nur für die Satten. Aber darüber will ich mich nicht weiter verbreiten. Ich sage dir nur eins: Wenn der Mensch im Namen eines Ideals niederträchtig handeln muss, dann ist dieses Ideal einen Dreck wert …
    Ich schaute auf die Uhr und steckte den Empfänger in die Tasche. Ich hatte es satt, auf Oscar zu warten, und wollte etwas essen. Mir war, als hätte ich in dieser Stadt endlich etwas Nützliches getan. Ich hinterließ beim Empfangschef meine Telefonnummer – für den Fall, dass Oscar oder Riemaier zurückkamen – und ging auf den Platz hinaus. Ich glaubte nicht, dass Riemaier zurückkommen würde, ja ich glaubte nicht einmal, dass ich ihn jemals wiedersähe. Aber Oscar konnte sein Versprechen noch halten, obwohl man ihn sicher würde suchen müssen. Ich würde es aber nicht mehr sein, der ihn suchte. Und wahrscheinlich auch nicht hier …

12
    Im Automaten-Café war nur ein Gast. An einem mit gefüllten Tellern und Flaschen bestellten Ecktisch saß ein dunkelhäutiger und prächtig, wenn auch merkwürdig gekleideter Mann orientalischen Typs. Ich nahm mir Sauermilch und Quarkpfannkuchen mit saurer Sahne, und während ich aß, betrachtete ich ihn von Zeit zu Zeit. Er aß und trank viel und gierig, sein Gesicht glänzte vor Schweiß; ihm war heiß in seinem närrischen glänzenden Frack. Schnaufend lehnte er sich zurück und lockerte den breiten Hosengürtel. Dabei blitzte in der Sonne eine lange gelbe Revolvertasche auf, die unter seinem Frackschoß hing. Ich hatte bereits den letzten Quarkpfannkuchen verzehrt, als er mich ansprach.
    »Hallo!«, sagte er. »Sind Sie von hier?«
    »Nein«, antwortete ich. »Ich bin Tourist.«
    »Ah, dann verstehen Sie also auch nichts …«
    Ich ging zur Theke, mixte mir einen Cocktail aus Säften und trat zu ihm.
    »Warum ist es hier so leer?«, fuhr er fort. Er hatte ein lebhaftes, mageres Gesicht und einen grimmigen Blick. »Wo sind die Einwohner? Warum ist alles geschlossen? Alle schlafen, niemand ist zu erreichen …«
    »Sind Sie eben erst angekommen?«
    »Ja.« Er schob den leeren Teller beiseite, zog einen vollen heran und trank schlürfend helles Bier.
    »Woher kommen Sie?«, fragte ich. Er warf mir einen grimmigen Blick zu, und ich fügte eilig hinzu: »Falls das kein Geheimnis ist, natürlich …«
    »Ist es nicht«, erwiderte er. »Es ist kein Geheimnis …«, und schlang weiter.
    Ich trank den Saft und wollte gehen, aber er hielt mich auf:
    »Prima leben sie, die Hunde. Herrliches Essen, so viel man will, und alles unentgeltlich.«
    »Nun, ganz unentgeltlich wohl doch nicht«, entgegnete ich.
    »Neunzig Dollar! Lächerlich! Ich esse in drei Tagen für neunzig Dollar.« Seine Augen wurden plötzlich starr. »Hunde«, murmelte er und beugte sich wieder über den Teller.
    Ich kannte solche Leute. Sie kamen aus winzigen, bis zur völligen Verelendung ausgeplünderten Königreichen und Fürstentümern, aßen und tranken gierig, wobei sie an die sonnendurchglühten staubigen Straßen ihrer Heimatstädte dachten, wo im kärglichen Schatten sterbende nackte Männer und Frauen lagen, während Kinder mit aufgetriebenen Bäuchen in den Müllgruben der ausländischen Konsulate wühlten. Sie waren voller Hass und brauchten nur zwei Dinge: Brot und eine Waffe. Das Brot für ihre Bande, die sich in der Opposition befand, die Waffe gegen die andere Bande, die an der Macht war. Es waren verbissene Patrioten, leidenschaftlich und weitschweifig redeten sie von der Liebe zum Volk, aber Hilfe von außen wiesen sie entschieden zurück, weil sie nichts als die Macht liebten und niemanden als sich selbst. Sie waren bereit, zum Ruhm des Volkes und des Triumphs ihrer Prinzipien ihr Volk zu Tode zu quälen – notfalls bis zum letzten Mann – durch Hunger und Maschinengewehre. Kleine Hitler.
    »Waffe? Brot?«, fragte ich.
    Er horchte auf. »Ja«, sagte er. »Waffe und Brot. Aber ohne blödsinnige Bedingungen. Und möglichst umsonst. Echte Patrioten haben niemals Geld. Während die herrschende Clique in Luxus schwimmt …«
    »Hunger?«, fragte ich.
    »Was Sie wollen. Die aber schwimmen hier im Luxus.« Voller Hass blickte er mich an. »Die ganze Welt schwimmt im Luxus, nur wir hungern. Aber eure Hoffnungen sind vergebens. Die

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