Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Revolution ist nicht aufzuhalten!«
»Ja«, sagte ich. »Revolution gegen wen?«
»Wir kämpfen gegen Badschahs Blutsauger. Gegen die Korruption und Verkommenheit der herrschenden Oberschicht, für Freiheit und wahre Demokratie … Das Volk ist mit uns, aber man muss dem Volk zu essen geben. Doch sie erklären uns: Brot geben wir euch erst nach der Entwaffnung. Und drohen mit Intervention … Welch niederträchtige und verlogene Demagogie! Welch Betrug an den revolutionären Massen! Vor den Blutsaugern die Waffen niederzulegen bedeutet, allen wahren Kämpfern die Schlinge um den Hals zu legen! Wir antworten: Nein! Sie werden das Volk nicht hinters Licht führen! Mögen Badschah und seine Totschläger die Waffen niederlegen. Dann werden wir sehen, was zu tun ist.«
»Ja«, sagte ich. »Aber Badschah will wahrscheinlich auch nicht, dass man ihm die Schlinge um den Hals legt.«
Brüsk stellte er das Glas mit dem Bier ab, und seine Hand fuhr gewohnheitsmäßig zur Pistolentasche. Doch besann er sich rasch.
»Hab ich doch gewusst, dass Sie nicht die Bohne kapieren«, herrschte er mich an. »Ihr Satten seid ja schon verblödet vor lauter Sattheit, Ihr seid zu aufgeblasen, um uns zu verstehen. Im Dschungel würden Sie es nicht wagen, so mit mir zu reden!«
Im Dschungel würde ich ganz anders mit dir reden, du Bandit, dachte ich und sagte: »Ich verstehe tatsächlich vieles nicht. Zum Beispiel verstehe ich nicht, was geschieht, wenn Sie den Sieg errungen haben. Nehmen wir an, Sie haben gesiegt, haben Badschah gehenkt, falls er nicht ausgerückt ist, um wie Sie Brot und Waffen zu besorgen …«
»Der rückt nicht aus. Der bekommt, was er verdient. Das revolutionäre Volk wird ihn in Stücke reißen! Und dann machen wir uns an die Arbeit. Wir bauen chemische Fabriken und geben dem Land Essen und Kleidung. Wir holen die Gebiete zurück, die die satten Nachbarn uns weggenommen haben, und erfüllen das gesamte Programm, von dem der verlogene Badschah schwafelt, um das Volk zu betrügen. Und dann, erst dann, werden wir die Waffen niederlegen. Ihre Hilfe werden wir dann schon nicht mehr brauchen, verstehen Sie? Wir werden uns nicht deshalb entwaffnen, weil ihr uns das diktiert, sondern weil wir keine Waffen mehr brauchen. Und dann …«
Er schloss die Augen, stöhnte auf vor Wonne und wackelte mit dem Kopf.
»Und dann werden Sie es sein, der satt ist, in Luxus schwimmt und bis mittags schläft?«
Er lächelte. »Ich habe das verdient. Das Volk hat das verdient. Niemand wird wagen, uns einen Vorwurf daraus zu machen. Wir werden nach Herzenslust essen und trinken, wir werden in richtigen Häusern wohnen und dem Volk sagen: Jetzt seid ihr frei, amüsiert euch!«
»Und denkt an nichts«, fügte ich hinzu. »Haben Sie nicht den Eindruck, dass das alles schlecht für Sie enden kann?«
»Lassen Sie«, sagte er gutmütig. »Das ist Demagogie. Sie sind ein Demagoge. Und Dogmatiker. Bei uns gibt es auch solche Dogmatiker wie Sie. Der Mensch, sagen sie, wird den Sinn des Lebens verlieren. Nein, antworten wir, der Mensch verliert gar nichts. Der Mensch wird gewinnen, nicht verlieren. Man muss das Volk spüren, man muss selbst aus dem Volk sein, das Volk mag die Schlauköpfe nicht! Weshalb, zum Teufel, werfe ich mich wohl den Holzegeln zum Fraß vor und fresse Würmer?« Er grinste plötzlich gutmütig. »Sie sind mir bestimmt ein bisschen böse, weil ich Sie satt und so weiter genannt habe … Nicht nötig, seien Sie nicht böse. Überfluss ist schlecht, wenn du ihn nicht hast – dein Nachbar hingegen schon. Der erreichte Überfluss ist eine gute Sache! Dafür lohnt es zu kämpfen. Alle haben dafür gekämpft. Man soll ihn mit der Waffe in der Hand erringen, nicht aber gegen Freiheit und Demokratie eintauschen.«
»Also ist Ihr Endziel trotz allem der Überfluss? Nur der Überfluss?«
»Klar! Das Endziel ist immer der Überfluss. Vergessen Sie aber nicht, dass wir in den Mitteln wählerisch sind.«
»Das vergesse ich nicht. Und der Mensch?«
»Was heißt – der Mensch?«
Ich sah ein, dass Streiten zwecklos war. »Sie sind vorher noch nie hier gewesen?«, erkundigte ich mich.
»Wieso?«
»Schauen Sie sich um«, sagte ich. »Diese Stadt bietet ausgezeichneten Anschauungsunterricht zum Thema Überfluss.«
Er zuckte mit den Schultern. »Einstweilen gefällt es mir hier.« Er schob abermals einen leeren Teller beiseite und zog einen vollen heran. »Unbekannte Gerichte. Schmackhaft und billig. Beneidenswert.« Er verschlang ein
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