Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
hinter dem Reaktor.
»Hier bin ich«, antwortete Shilin.
Er lief durch die Steuerzentrale und rutschte dabei mehrmals auf dem Reif aus. Bykow eilte ihm entgegen; seine roten Haare standen zu Berge. »An die Kontrolle des Reflektors!«
»Zu Befehl!«, bestätigte Shilin.
»Steuermann, gibt es einen Lichtblick?«
»Nein, Ljoscha. Weit und breit ein und dieselbe Dichte. Da haben wir uns ganz schön was eingebrockt!«
»Stell den Reflektor ab! Ich gehe auf Havarieschaltung.«
Krutikow schwenkte schnell auf seinem Drehsessel zum Steuerpult herum, welches sich hinter ihm befand. Er legte die Hand auf die Tasten und sagte: »Vielleicht könnte …« Er stockte. Sein Gesicht verzerrte sich plötzlich vor Entsetzen. Die Platte mit der Steuertastatur wölbte sich nach oben, wurde wieder gerade und glitt geräuschlos auf den Fußboden. Shilin hörte Krutikow aufschreien und stürzte verstört hinter dem Reaktor hervor. An der Wand der Steuerzentrale saß, an den Polsterbezug geklammert, die anderthalb Meter große Marseidechse Waretschka, Jurkowskis Liebling. An ihren Flanken war der Abdruck der Steuerungstasten noch deutlich zu erkennen, und auf ihrem furchterregenden dreieckigen Maul leuchtete noch das rote Stopplämpchen. Michail Antonowitsch starrte die eigentümlich gemusterte Waretschka an, schluchzte auf und griff sich ans Herz.
»Scher dich weg«, herrschte Shilin die Eidechse an.
Da rutschte sie blitzschnell von der Wand und war verschwunden.
»Ich schlag sie tot!«, brüllte Bykow. »Shilin, auf deinen Platz, zum Teufel!«
Shilin drehte sich um, und in dem Augenblick ereilte die »Tachmasib« ein Volltreffer.
Amalthea, J-Station
Die Wasserholer unterhalten sich über den Hunger,
und der Chefgastronom schämt sich seiner Küche
Nach dem Abendessen kam Onkel Walnoga in den Freizeitbereich und sagte, ohne dabei jemanden anzusehen: »Ich brauche Wasser. Meldet sich jemand freiwillig?«
»Klar«, antwortete Koslow.
Potapow blickte vom Schachbrett auf. »Klar.«
»Natürlich melden sich welche«, sagte Kostja Stezenko.
»Kann ich auch mit?«, fragte Sojka Iwanowa scheu.
»Bitte«, erwiderte Walnoga, den Blick zur Decke gerichtet. »Kommen Sie …«
»Wie viel Wasser wird gebraucht?«, wollte Koslow wissen.
»Nicht viel«, antwortete Onkel Walnoga. »Zehn Tonnen.«
»Gut«, meinte Koslow. »Wir kommen gleich.«
Onkel Walnoga ging hinaus.
»Ich komme auch mit«, sagte Gregor.
»Bleib lieber hier sitzen, und denk über deinen Zug nach!«, riet ihm Potapow. »Du bist nämlich dran und denkst jedes Mal eine halbe Stunde lang über jeden Zug nach.«
»Egal«, meinte Gregor. »Dazu habe ich nachher noch Zeit.«
»Galja, komm mit!«, rief Stezenko.
Galja lag bequem im Sessel vor dem Magnetvideofon und antwortete träge: »Meinetwegen.« Sie stand auf und räkelte sich behaglich. Galja war achtundzwanzig Jahre alt, groß, brünett und sah sehr gut aus. Sie war die schönste Frau hier, und die Hälfte der Männer auf der Station war in sie verliebt. Sie leitete das astrometrische Observatorium.
»Gehen wir«, sagte Koslow. Er schloss die Schnallen an seinen Magnetschuhen und wandte sich zur Tür. Sie gingen zum Lager und holten sich dort Pelzjacken, Elektrosägen und einen Elektrokarren. »Eisgrotte« hieß die Stelle, an der die Station Trink- und Brauchwasser entnahm.
Die Amalthea, eine abgeflachte Kugel mit einem Durchmesser von einhundertdreißig Kilometern, bestand aus kompaktem, gewöhnlichem Eis wie auf der Erde, nur dass auf seiner Oberfläche ein wenig Meteoritenstaub lag sowie Stein- und Eisklumpen. Über die Entstehung des kleinen Planeten wusste niemand Genaueres zu sagen. Wer in der Kosmogonie nicht sonderlich bewandert war, ging davon aus, Jupiter hätte in ferner Vorzeit von einem Planeten, der ihm zu nahe gekommen war, die Wasserhülle abgezogen. Andere waren geneigt, die Bildung des fünften Mondes auf die Kondensation von Wasserkristallen zurückzuführen. Wieder andere glaubten, die Amalthea gehöre nicht zu unserem Sonnensystem, sondern sei aus dem interstellaren Raum gekommen und Jupiter habe sie an sich gefesselt. Wie dem auch sei, die unerschöpflichen Eisvorräte auf der Amalthea waren für die J-Station sehr nützlich.
Der Elektrokarren rollte durch den Gang der unteren Ebene und blieb vor dem breiten Tor der »Eisgrotte« stehen. Gregor sprang vom Karren, ging zum Tor und suchte nach dem Kontaktknopf für den Öffner. Er war kurzsichtig.
»Tiefer, weiter unten!«, befahl
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