Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
steuerte das Raumschiff mitten durch eine Wolke von Stein- und Eisensplittern; auf dem Bildschirm des Beobachtungssystems wimmelte es von umherwirbelnden blauen Tupfen. Es waren viele, sehr viele, aber das Raumschiff hatte aufgehört zu schlingern – die Meteoritenabwehr war abgeschaltet und irritierte den Autopiloten nicht mehr. Obwohl es Bykow in den Ohren dröhnte, hörte er mehrmals ein jähes fauchendes Zischen, woraufhin ihn eisiger Dampf einhüllte. Er zog seinen Kopf zwischen die Schultern und kroch halb unter das Pult. Einmal bollerte etwas hinter ihm und zerbarst. Nach einer Weile lichtete sich das blaue Gewimmel auf dem Bildschirm; dann torkelten nur noch vereinzelte blaue Tupfen darüber, und schließlich verschwanden auch sie. Die Meteoritenattacke war vorüber.
Bykow warf einen Blick auf den Kursografen. Die »Tachmasib« verlor zusehends an Höhe. Sie flog durch die Exosphäre des Jupiters, aber ihre Geschwindigkeit war bedeutend geringer als die Umdrehungsgeschwindigkeit des Planeten, und so trudelte sie in immer engeren Spiralen auf ihn zu. Während des Meteoritenangriffs war sie – wie immer bei solchen Attacken – langsamer geworden und deswegen vom Kurs abgekommen. Dergleichen geschieht mitunter auch im normalen Linienverkehr Jupiter – Mars oder Jupiter – Erde bei der Durchquerung eines Asteroidengürtels. Dort ist das nicht weiter gefährlich. Verlor man aber hier, über dem Jupiter, an Tempo, so bedeutete es den sicheren Tod. Sobald ein Raumschiff in die kompakten Schichten der Jupiter-Atmosphäre eindringt, geht es in Flammen auf; so war es vor zehn Jahren Paul Danget ergangen. Fängt das Raumschiff hingegen kein Feuer, stürzt es in die Wasserstoffkluft, aus der es ebenfalls keine Wiederkehr gibt – ein Schicksal, das Anfang des Jahres Sergej Petruschewski ereilte.
Einzig und allein mit dem Photonentriebwerk konnte es gelingen, der unheilvollen Nähe des Riesenplaneten zu entkommen. Mechanisch drückte Bykow auf die gerillte Startertaste, aber auf dem Armaturenbrett flammte kein Lämpchen auf. Der Reflektor war beschädigt, und der Havariecomputer blockte den unverständlichen Befehl. Das ist das Ende, dachte Bykow. Er wendete das Schiff nach allen Regeln der Kunst, ging auf Gegenkurs und schaltete die Havarietriebwerke auf äußerste Kraft. Die fünffache Überbelastung presste ihn in den Sessel. Das Einzige, was er im Augenblick tun konnte, war, die Fallgeschwindigkeit auf ein Minimum zu reduzieren, damit das Schiff in der Atmosphäre nicht in Brand geriet. Dreißig Sekunden lang saß er unbeweglich da und blickte unverwandt auf seine Hände, die durch die Überbelastung schnell anschwollen. Dann drosselte er die Treibstoffzufuhr, und die Überbelastung ließ nach. Die Havarietriebwerke würden das Tempo des Sturzfluges etwas abbremsen – solange der Treibstoff reichte. Aber der ging zur Neige, und mithilfe der Havarieraketen war über dem Jupiter noch nie ein Schiff gerettet worden. Über Mars, Merkur und Erde – vielleicht, über dem Riesenplaneten jedoch noch nie.
Bykow erhob sich mühsam und spähte über das Pult. Auf dem Fußboden lag inmitten von Plastscherben der Steuermann Krutikow auf dem Rücken.
»Mischa«, rief Bykow flüsternd. »Lebst du, Mischa?«
Hinter dem Reaktor knirschte und kratzte etwas, und auf allen vieren kam Shilin hervorgekrochen. Er sah sehr mitgenommen aus. Grübelnd musterte er den Kommandanten, den Steuermann, die Zimmerdecke und setzte sich dann mit untergeschlagenen Beinen hin.
Bykow kroch hinter dem Pult hervor und hockte sich, obwohl die Knie schmerzten, neben den Steuermann. Er rüttelte ihn sacht an der Schulter. »Lebst du, Mischa?«
Krutikow verzog das Gesicht und leckte sich über die Lippen, ohne allerdings die Augen aufzuschlagen.
»Ljoscha«, sagte er mit schwacher Stimme.
»Tut dir etwas weh?«, erkundigte sich Bykow und tastete den Steuermann ab.
»Au!« Krutikow riss die Augen auf.
»Hier?«
Der Steuermann stöhnte.
»Und hier?«
»Au, hör auf!« Der Steuermann richtete sich halb auf, und sein Kopf sank zur Seite. »Wo ist Wanja?«, fragte er.
Bykow blickte um sich. Shilin war nicht da. »Wanja!«, rief er halblaut.
»Hier«, antwortete Shilin aus einer Ecke. Man hörte etwas fallen; er fluchte leise.
»Wanja lebt«, teilte Bykow dem Steuermann mit.
»Gott sei Dank!« Krutikow stützte sich auf die Schulter des Kommandanten und stand auf.
»Geht es, Mischa?«, fragte Bykow. »Bist du einsatzfähig?«
»Na ja«,
Weitere Kostenlose Bücher