Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
er abrupt. »Womit beschäftigen Sie sich?«
Ich sah, dass er das Thema wechseln wollte, und begann von den Septopoden zu erzählen. Dass sie zur Klasse der Zephalopoden, der Kopffüßer, gehörten und hier wieder den Zweikiemern zuzurechnen waren. Dass sie eine besondere, bisher unbekannte Art von Oktopoden darstellten, mit Besonderheiten wie: Atrophie des linken dritten Fangarms bei gleichzeitiger Hypertrophie des dritten rechten, drei Reihen Saugnäpfe an den Armen, völliges Fehlen der Leibeshöhle, ungewöhnlich kräftig entwickelte Venenherzen und eine für Zephalopoden maximale Komprimierung des zentralen Nervensystems. Und dass es daneben noch einige andere, weniger bedeutungsvolle Merkmale gäbe. Sie seien erst vor kurzer Zeit entdeckt worden und tauchten als einzelne Exemplare an den Ost- und Südostküsten Asiens auf, bald darauf auch an den Unterläufen großer Flüsse wie Mekong, Jangtsekiang, Huang-Ho und Amur, aber auch in Seen, die relativ weit von der Meeresküste entfernt lägen – wie etwa in diesem hier. Was erstaunlich sei, denn gewöhnliche Zephalopoden hätten einen überaus hohen Salzbedarf und mieden deshalb selbst die arktischen Gewässer. Außerdem gingen sie so gut wie nie an Land. Nichtsdestoweniger bliebe es eine Tatsache, dass sich die Septopoden in dem Süßwasser hier sehr wohlfühlten und auch an Land kämen. Sie kletterten in Boote und auf Brücken, und erst kürzlich hätte man zwei sogar im Wald entdeckt, etwa dreißig Kilometer von hier entfernt …
Mascha hörte nicht weiter zu – sie kannte das alles aus früheren Erzählungen. Stattdessen ging sie ins Zelt, holte das kleine Funkgerät heraus und stellte es auf automatischen Empfang. Offenbar hatte sie es eilig, die »Stimme der Leere« einzufangen.
Gorbowski hingegen zeigte sich sehr aufmerksam.
»Waren die beiden Septopoden noch am Leben?«, fragte er.
»Nein, sie wurden tot aufgefunden. Hier im Wald; er steht übrigens unter Naturschutz. Wildschweine hatten sie niedergetrampelt und halb aufgefressen. Aber dreißig Kilometer vom Wasser entfernt lebten sie noch! Ihre Mantelhöhlung war mit feuchten Wasserpflanzen gefüllt. Offensichtlich speichern die Tiere auf diese Weise einen gewissen Wasservorrat für ihre Landgänge. Bei den Pflanzen handelte es sich um ausgesprochene Seegewächse, was den Schluss zulässt, dass die beiden Septopoden von diesen Seen hier kamen und weiter nach Süden, ins Landesinnere wollten. Übrigens waren sämtliche Exemplare, die bisher gefangen wurden, ausgewachsene Männchen. Kein einziges weibliches Tier fand sich darunter und auch kein Junges. Offenbar können nur die Männchen im Süßwasser existieren und sich an Land begeben. Ein höchst interessantes Phänomen«, fuhr ich fort. »In der Regel ändern Meerestiere ihre Lebensgewohnheiten nur in der Brunstzeit so abrupt. Dann treibt sie der Instinkt an völlig ungewohnte Orte. In diesem Fall aber kann gar keine Rede von Brunst sein. Hier muss ein anderer Trieb wirken, einer, der möglicherweise noch älter und mächtiger ist als der Fortpflanzungstrieb. Für uns ist jetzt wichtig, ihre Wanderwege zu verfolgen. Deshalb sitze ich auch an diesem See und bleibe rund zehn Stunden täglich unter Wasser. Heute gelang es mir, einen Septopoden zu markieren. Wenn ich Glück habe, erwische ich bis zum Abend noch einen oder zwei. Nachts dagegen lässt man lieber die Finger von ihnen, da werden sie äußerst aggressiv und schnappen nach allem, was sich ihnen nähert. Sie haben sogar schon Menschen angefallen, aber wie gesagt: nur nachts.«
Mascha hatte den Empfänger auf volle Lautstärke gestellt und genoss den Lärm.
»Etwas leiser, Mascha«, bat ich sie.
»Sie markieren also die Septopoden«, stellte Gorbowski fest. »Lustig. Womit eigentlich?«
»Mit Ultraschallsendern.« Ich zog eine Patrone aus dem Markiergerät, entnahm ihr die Kapsel und zeigte sie Gorbowski. »Mit diesen Geschossen. In jeder Patrone befindet sich ein Sender, der unter Wasser zwanzig bis dreißig Kilometer weit zu hören ist.«
Gorbowski nahm die Kapsel vorsichtig in die Hand und betrachtete sie aufmerksam. Sein Gesicht sah auf einmal betrübt und stark gealtert aus.
»Raffiniert«, murmelte er. »Einfach und doch raffiniert …«
Er drehte die Kapsel fortwährend zwischen seinen Fingern, so als wollte er sie bis ins Innerste ergründen; dann legte er sie vor mir ins Gras und erhob sich. Seine Bewegungen schienen mir plötzlich stockend und unsicher. Er ging zu seinen
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