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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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dir, als wäre es ein Baum, Ehrenwort …«
    Es wurde an die Tür geklopft.
    »Herein!«, brüllte Ilina.
    Ein großer, knochiger Mann mittleren Alters mit hellem Schnurrbart und hellen, vorstehenden Augen trat ein.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich wollte zu Riemaier.«
    »Hier wollen alle zu Riemaier«, erklärte Ilina. »Nehmen Sie Platz, wir werden zusammen warten.«
    Der Unbekannte nickte, setzte sich an den Tisch und schlug die Beine übereinander.
    Wahrscheinlich war er nicht zum ersten Mal hier. Er blickte, ohne auch nur den Kopf zu wenden, auf die Wand vor sich. Vielleicht war er aber auch nicht neugierig. Jedenfalls interessierte er sich weder für mich noch für Ilina. Das kam mir sehr merkwürdig vor. Meiner Meinung nach musste ein Paar wie Ilina und ich jeden normalen Menschen interessieren. Ilina stützte sich auf den Ellbogen und musterte den Unbekannten.
    »Irgendwo habe ich Sie schon einmal gesehen«, erklärte sie.
    »Tatsächlich?«, fragte der Unbekannte kühl.
    »Wie heißen Sie?«
    »Oscar. Ich bin ein Freund von Riemaier.«
    »Na, wunderbar«, rief Ilina. Die Gleichgültigkeit des Unbekannten reizte sie offensichtlich, aber einstweilen beherrschte sie sich. »Das hier ist auch ein Freund von Riemaier«, sie wies auf mich. »Kennen Sie sich?«
    »Nein«, erwiderte Oscar und sah nach wie vor auf die Wand.
    »Ich heiße Iwan«, sagte ich. »Und das ist Riemaiers Freundin. Sie heißt Ilina. Wir beide haben soeben Brüderschaft getrunken.«
    Oscar blickte Ilina gleichmütig an und verbeugte sich höflich.
    Ohne Oscar aus den Augen zu lassen, nahm Ilina die Flasche. »Hier ist noch ein kleiner Rest«, sagte sie. »Wollen Sie etwas trinken, Oscar?«
    »Nein, danke«, antwortete er kühl.
    »Brüderschaft!«, rief Ilina. »Sie wollen nicht? Sollten Sie aber.«
    Sie schenkte mir den Wein ein, goss die letzten Tropfen in ihr Glas und trank sofort aus.
    »Hätte ich nie gedacht, dass Riemaier Freunde hat, die nicht trinken«, wunderte sie sich. »Und doch habe ich Sie schon einmal irgendwo gesehen!«
    Oscar zuckte mit den Schultern. »Wohl kaum«, sagte er.
    Ilina geriet zusehends in Wut. »Noch so ein Aas«, teilte sie mir laut mit. »Hallo, Oscar, sind Sie vielleicht ein Intel?«
    »Nein.«
    »Wie – nein?«, empörte sie sich. »Klar sind Sie ein Intel. Sie haben sich im ›Wiesel‹ mit dem glatzköpfigen Lejs geprügelt, den Spiegel zertrümmert, und dann hat Modi Ihnen eine runtergeknallt …«
    Oscars versteinertes Gesicht färbte sich zartrosa. »Ich versichere Ihnen«, sagte er ausgesucht höflich, »ich bin kein Intel, und ich bin nie im ›Wiesel‹ gewesen.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass ich lüge?«, fragte Ilina.
    Für alle Fälle nahm ich die Flasche vom Tisch und stellte sie unter den Sessel.
    »Ich bin nicht von hier«, erklärte Oscar. »Ich bin Tourist.«
    »Sind Sie schon lange hier?«, erkundigte ich mich, um die Situation zu beruhigen.
    »Nein, erst seit Kurzem«, antwortete Oscar. Er blickte nach wie vor auf die Wand. Ein Mensch mit eiserner Selbstbeherrschung.
    »Ah!«, rief Ilina plötzlich. »Ich hab’s. Das war vorhin ein Irrtum.« Sie lachte laut. »Natürlich sind Sie kein Intel. Sie waren vorgestern bei uns im Büro. Sie sind ein Handlungsreisender, stimmt’s? Sie haben unserem Chef irgendeinen Plunder angeboten … ›Djugon‹ oder ›Djupon‹ …«
    »Dewon«, soufflierte ich. »Das ist ein Repellent.«
    Oscar lächelte zum ersten Mal. »Richtig«, sagte er. »Aber ich bin natürlich kein Handlungsreisender. Ich habe lediglich im Auftrag eines Verwandten gehandelt.«
    »Das ist eine andere Sache.« Ilina sprang auf. »Das hätten Sie sagen sollen. Iwan, wir drei müssen Brüderschaft trinken. Ich rufe an … Nein, besser, ich laufe schnell selbst hinunter. Und Sie plaudern hier inzwischen. Ich bin gleich zurück …«
    Sie rannte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
    »Ein munteres Weibsbild«, sagte ich.
    »Ja, sehr. Sind Sie von hier?«
    »Nein, ich bin ebenfalls neu hier … Seltsam, diese Bitte Ihres Verwandten!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wer braucht ›Dewon‹ in einem Kurort?«
    Oscar zuckte die Schultern. »Ich kann das schwer beurteilen, ich bin kein Chemiker. Aber Sie werden mir sicher zustimmen, dass es nicht immer einfach ist, das Verhalten seiner nächsten Verwandten zu verstehen, von ihren Fantasien ganz zu schweigen … Also ist ›Dewon‹, wie nannten Sie es, ein Reze…«
    »Ein Repellent«, sagte ich.
    »Für Mücken?«
    »Nicht so

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