Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
sehr für als vielmehr gegen sie.«
»Sie kennen sich aus, wie ich sehe«, sagte Oscar.
»Ich musste es schon einmal anwenden.«
»Ach, so ist das …«
Was soll das?, dachte ich. Was will er damit sagen? Er blickte nicht mehr auf die Wand. Er blickte mir jetzt direkt in die Augen und lächelte. Aber wenn er etwas hatte sagen wollen, dann hatte er es schon gesagt. Er stand auf.
»Ich möchte nicht länger warten«, erklärte er. »Wenn ich recht verstehe, will man mich dazu nötigen, Brüderschaft zu trinken. Doch ich bin nicht hergekommen, um zu trinken. Ich bin hergekommen, um gesund zu werden. Bestellen Sie Riemaier bitte, dass ich ihn heute Abend anrufe. Sie werden es doch nicht vergessen?«
»Nein«, sagte ich. »Ich werde es nicht vergessen. Weiß er, um wen es sich handelt, wenn ich sage, dass Oscar hier war?«
»Gewiss, das ist mein richtiger Name.«
Er verbeugte sich und ging, ohne sich noch einmal umzusehen, stocksteif und ein wenig unnatürlich hinaus. Ich stöberte im Aschenbecher, nahm eine Kippe ohne Lippenstift heraus und rauchte ein paar tiefe Züge. Der Tabak war nicht nach meinem Geschmack; ich drückte die Kippe aus. Oscar war ebenfalls nicht nach meinem Geschmack. Auch Ilina nicht. Das Gleiche galt für Riemaier. Ich hob die Flaschen eine nach der anderen hoch. Sie waren alle leer.
4
Ich wartete nicht, bis Riemaier kam. Ilina ließ sich auch nicht mehr blicken. Ich hatte keine Lust, noch länger in dem vollgerauchten Zimmer zu sitzen, und fuhr ins Vestibül hinunter. Ich wollte zu Mittag essen, blieb stehen und sah mich nach dem Restaurant um.
Im selben Moment tauchte der Empfangschef vor mir auf. »Zu Ihren Diensten«, säuselte er. »Suchen Sie ein Auto? Restaurant? Bar? Salon?«
»Was für ein Salon?«, fragte ich.
»Der Frisiersalon.« Höflich betrachtete er meine Frisur. »Heute empfängt Meister Gaoej. Den kann ich wärmstens empfehlen.«
Ich glaubte mich zu erinnern, dass Ilina mich einen langhaarigen Gammler genannt hatte, und sagte: »Gut, meinetwegen.«
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte der Empfangschef.
Wir querten das Vestibül. Der Empfangschef öffnete eine breite, niedrige Tür und sagte in die Leere des großen Raumes hinein: »Verzeihen Sie, Meister, ein Kunde für Sie.«
»Bitte«, sagte eine ruhige Stimme.
Ich trat ein. Im Salon war es hell und duftete. Glänzendes Nickel, glänzende Spiegel, glänzendes altertümliches Parkett. Von der Decke hingen an glänzenden Stangen glänzende Halbkugeln herunter. Mitten im Saal stand ein großer weißer Sessel. Der Meister kam mir entgegen. Er hatte scharfe, reglose Augen, eine Hakennase und einen grauen Spitzbart. Er erinnerte mich an einen alten, erfahrenen Chirurgen. Schüchtern grüßte ich. Er nickte und ging, mich von Kopf bis Fuß musternd, einmal um mich herum. Mir wurde unbehaglich.
»Bringen Sie mich in Einklang mit der jetzigen Mode«, sagte ich, bemüht, ihn nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Doch er hielt mich sanft am Ärmel fest, atmete ein paar Sekunden lang hinter mir und murmelte: »Zweifellos … Ganz ohne Zweifel …« Dann spürte ich, wie er meine Schulter berührte.
»Gehen Sie bitte ein Stückchen«, bat er streng. »Fünf, sechs Schritte, dann bleiben Sie stehen und drehen sich um.«
Ich gehorchte. Nachdenklich betrachtete er mich und zupfte sich dabei am Bart. Ich hatte den Eindruck, als zögere er.
»Übrigens«, sagte er unvermittelt. »Sie können sich setzen.«
»Wohin?«, fragte ich.
»In den Sessel, in den Sessel«, antwortete er.
Ich setzte mich, und er kam langsam näher. Auf seinem intelligenten Gesicht erschien plötzlich ein Ausdruck von großem Ärger.
»Wie kann man nur?«, sagte er. »Das ist doch wirklich grauenhaft!«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
»Primitiv … disharmonisch …«, murmelte er. »Abscheulich!«
»Ist es tatsächlich so schlimm?«, wollte ich wissen.
»Ich begreife nicht, was Sie bei mir wollen«, sagte er. »Sie messen Ihrem Äußeren doch keinerlei Bedeutung bei!«
»Vom heutigen Tag an werde ich es tun«, versprach ich.
Er winkte ab. »Ach, lassen Sie! Ich werde mich mit Ihnen beschäftigen, aber …« Er schüttelte den Kopf, wandte sich geschwind um und ging zu einem hohen Tisch voller blitzender Instrumente. Die Sessellehne senkte sich allmählich, und ich geriet in eine halb liegende Position. Eine große, wärmestrahlende Halbkugel schwebte herab, und sogleich stachen mich Hunderte von winzigen Nadeln ins Genick.
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