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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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das dritte, dann das zweite und zuletzt das erste Stück zu zeigen. Ein sprunghafter Ablauf … ein Sprung … Sprungstellen …
    »Jungs«, fragte ich mit stockendem Atem. »Muss die Kon tramotion unbedingt kontinuierlich verlaufen?«
    Erst reagierten sie nicht. Edik ließ Rauchkringel zur Decke steigen, Vitka lag reglos auf dem Bauch, und Roman starrte mich verständnislos an. Dann riss er die Augen auf.
    »Um Mitternacht!«, rief er in einem schrecklichen Flüsterton.
    Alle sprangen auf.
    Es war, als hätte ich in einem Pokalspiel das entscheidende Tor geschossen. Sie fielen über mich her, schleckten mir die Wangen ab, klopften mir auf den Rücken und die Schultern, warfen mich aufs Kanapee und ließen sich selbst obendrauf fallen.
    »Kluger Bursche!«, jauchzte Edik. »Ein schlauer Fuchs!«, brüllte Roman. »Und ich hab dich für ein Kamel gehalten!«, murmelte der grobe Vitka. Schließlich beruhigten sie sich, und dann lief alles wie geschmiert.
    Roman behauptete aus heiterem Himmel, er kenne jetzt das Geheimnis des Tunguska-Meteoriten. In dieses Geheim nis wolle er uns auf der Stelle einweihen, und wir alle stimm ten, so paradox es scheint, freudig zu. Seltsamerweise hatten wir es nicht eilig, uns dem zuzuwenden, was uns am meisten am Herzen lag. Überhaupt nicht! Wir führten uns auf wie Gourmets. Wir stürzten uns nicht auf die Leckerbissen. Wir ließen ihren Duft auf uns wirken, waren verzückt und schnalzten mit der Zunge, wir genossen händereibend ihren Anblick und kosteten die Vorfreude bis zur Neige aus.
    »Bringen wir endlich Klarheit in das verzwickte Problem des Wunders an der Tunguska«, sagte Roman eindringlich. »Bisher haben sich damit völlig fantasielose Leute befasst. Kometen und Meteoriten aus Antimaterie, selbstsprengende Atomschiffe, kosmische Wolken und Quantengeneratoren – all das ist viel zu banal und allein schon deshalb von der Wahrheit weit entfernt. Für mich war der Tunguska-Meteorit von Anfang an ein Raumschiff mit Außerirdischen an Bord, und ich wusste schon immer, dass man das Raumschiff nur deshalb nicht mehr am Ort der Katastrophe findet, weil es schon lange nicht mehr dort ist. Bis zum heutigen Tag war ich davon überzeugt, dass es sich bei dem Aufprall des Tunguska-Meteoriten nicht um die Landung eines Raumschiffs handelte, sondern um seinen Start. Und sogar diese Arbeitshypothese erklärte schon eine Menge. Mit der Grundidee der diskontinuierlichen Kontramotion lässt sich dieses Problem ein für alle Mal lösen. Was ist am 30. Juni 1908 an der Steinigen Tunguska geschehen? Etwa Mitte Juli desselben Jahres drang ein Raumschiff mit Außerirdischen in den zirkumsolaren Raum ein. Aber dies waren nicht die einfältigen, primitiven Außerirdischen unserer fantastischen Romane, sondern Kontramots, Genossen! Menschen, die aus einem anderen Universum kamen, in dem die Zeit entgegengesetzt zur unseren verläuft. Aufgrund der Wechselwirkung gegen sätzlicher Zeitströme verwandelten sie sich aus gewöhnlichen Kontramots, die unser Universum wie einen rückwärtslaufenden Film wahrnahmen, in Kontramots diskontinuierlichen Typs. Die Natur dieser Diskontinuität braucht uns im Moment nicht zu interessieren. Wichtig ist etwas anderes: Ihr Leben in unserem Universum unterlag einem bestimmten rhythmischen Zyklus. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass ihr Zyklus unserem Tagesrhythmus entsprach. Dann sah ihre Existenz aus unserer Sicht folgendermaßen aus: Am 1. Juli beispielsweise lebten und arbeiteten sie genau wie wir. Um Mitternacht aber begann für sie und ihre gesamte Ausrüstung nicht wie für uns der 2. Juli, sondern der 30. Juni, das heißt, nicht um einen Augenblick nach vorn, sondern – aus unserer Sicht – um zwei Tage zurück! Genauso brach für sie nach dem 30. Juni nicht der 1. Juli an, sondern der 29. Juni. Und so weiter. Als unsere Kontramots nun in Erdnähe kamen, stellten sie – falls sie es nicht schon längst entdeckt hatten – mit Erstaunen fest, dass die Erde auf ihrer Bahn merkwürdige Sprünge machte – Sprünge, die die Astronavigation außerordentlich erschwerten. Außerdem erblickten sie am 1. Juli unserer Zeitrechnung im Zentrum des gigantischen eurasischen Kontinents einen mächtigen Brand, dessen Rauch sie schon vorher, am 2. und 3. Juli unserer Zeitrechnung, durch ihre starken Teleskope beobachtet hatten. Dieser Kataklysmus machte sie neugierig, und ihr wissenschaftliches Interesse wurde endgültig geweckt, als sie am Morgen des 30. Juni unserer

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