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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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verbrannte und in den Wind streute. Eine Feder aber blieb erhalten, und für sie brach um Mitternacht der Morgen des 9. an. An diesem Tag fand Roman die Feder. Am Morgen des 12. war Photon wieder quicklebendig, gab Vitka ein Interview und bettelte um Zucker. Um Mitternacht aber brach für ihn der Morgen des 11. an, er wurde krank, ging ein, landete in einer Petrischale, in der um Mitternacht für ihn der Morgen des 10. anbrach. Er wurde verbrannt und in den Wind gestreut, aber die Feder blieb erhalten, und für sie brach um Mitternacht der Morgen des 9. an, an dem Roman sie fand und in den Papierkorb warf. Am 13., 14., 15. und allen folgenden Tagen würde Photon zu unser aller Freude guter Dinge sein, wir würden ihn mit Zucker und Pfefferkörnern verwöhnen, und W-Janus würde kommen und fragen, ob er uns nicht störe. Mithilfe eines assoziativen Verhörs würden wir Photon eine Menge interessanter Dinge über die Expansion der Menschheit im All und sicher auch einiges über unsere eigene Zukunft entlocken.
    Als wir bei diesem Punkt angelangt waren, verfinsterte sich plötzlich Ediks Miene, und er sagte, dass ihm Photons Andeutungen über seinen vorzeitigen Tod ganz und gar nicht gefielen, worauf der taktlose Vitka Kornejew bemerkte, dass der Tod eines Magiers immer vorzeitig sei, und trotzdem träfe es uns alle einmal. Vielleicht, vermutete Roman, liebt er dich mehr als alle anderen und erinnert sich deshalb nur an deinen Tod. Als Edik begriff, dass er doch noch eine Chance hatte, nach uns zu sterben, besserte sich seine Stimmung zusehends.
    Das Gespräch über den Tod hatte uns jedoch melancholisch gemacht. Uns allen – Vitka Kornejew natürlich ausgenommen – tat W-Janus plötzlich furchtbar leid. Wenn man darüber nachdachte, war er tatsächlich in einer verzweifelten Lage. Zum einen war er das Musterbeispiel enormer wissenschaftlicher Selbstlosigkeit, da er praktisch keinerlei Möglichkeit hatte, die Früchte seiner Ideen zu genießen. Außerdem erwartete ihn keine frohe Zukunft. Wir schritten in eine Welt der Vernunft und der Brüderlichkeit, während er mit jedem Tag dem Blutigen Nikolai, der Leibeigenschaft, der Erschießung auf dem Sennaja-Platz und – wer weiß? – vielleicht sogar dem Araktschejew-Regime, der bironschen Willkürherrschaft und der Opritschnina näher kam. Und eines fernen, unschönen Tages würde ihm auf dem blitzenden Parkett der Académie des Sciences in St. Petersburg ein Kollege mit gepuderter Perücke entgegentreten – ein Kollege, der ihn schon seit einer Woche mit merkwürdigen Blicken bedacht hatte –, erstaunt die Hände zusammenschlagen und, ein leises Grauen in den Augen, stottern: »Herr Nefstrueff! Fie ist das möglisch? Gestern habe isch doch in den ›Fedomosti‹ geleßen, dass ein Schlaganfall Ihrem Leben ein Ende geßetzt hat …« Dann würde er etwas von einem Zwillingsbruder oder einer Falschmeldung murmeln und dabei doch ganz genau wissen, was das Gespräch bedeutete …
    »Hört auf«, bat Vitka. »Werdet bloß nicht rührselig. Dafür kennt er die Zukunft. Er war schon dort, wo wir so bald nicht hinkommen werden. Und vielleicht weiß er genau, wann unser letztes Stündlein schlägt.«
    »Das ist nicht dasselbe«, meinte Edik traurig.
    »Der Alte hat’s nicht leicht«, pflichtete ihm Roman bei. »Wir sollten ein bisschen netter zu ihm sein. Besonders du, Vitka. Du bist ziemlich ruppig zu ihm.«
    »Was muss er einem auch immer auf die Pelle rücken?«, knurrte Vitka. »Worüber haben wir gesprochen? Wo haben wir uns gesehen?«
    »Jetzt weißt du ja, warum er dir auf die Pelle rückt, also reiß dich zusammen.«
    Vitka zog eine finstere Miene und starrte demonstrativ auf die Liste mit den Fragen.
    »Wir müssen ihm alles genau erklären«, schlug ich vor. »Alles, was wir wissen. Wir müssen ihm immer sagen, was ihm unmittelbar bevorsteht.«
    »Verflixt«, fiel Roman ein. »In diesem Winter hat er sich ein Bein gebrochen. Bei Glatteis.«
    »Das müssen wir verhindern«, sagte ich entschieden.
    »Was?«, fragte Roman. »Weißt du überhaupt, was du da sagst? Der Bruch ist längst verheilt.«
    »Aber er hat sich doch gar nichts gebrochen«, widersprach Edik.
    Dieses Problem beschäftigte uns eine Weile.
    Da rief Vitka plötzlich: »Wartet mal! Was ist denn das? Da ist ja noch eine Frage offen.«
    »Welche denn?«
    »Wo ist die Feder abgeblieben?«
    »Was heißt, wo?«, fragte Roman. »Sie hat am 8. noch exis tiert. Am 8. aber hab ich den Ofen eingeschaltet und

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