Gesammelte Werke 6

Balsamo hat seinerzeit den Magister für den Nachweis erhalten, dass Philipp der Bourbone, im Volk unter dem Spitznamen ›Die Eiserne Maske‹ bekannt, ein Matrikat war. Dieses wurde im Auftrag Ludwigs XIV. in den Geheimlabors der Jesuiten angefertigt, um den französischen Thron an sich zu reißen. Heute stellt man Matrikate mithilfe der Biostereografie à la Richard Cirugue her.«
    Damals wusste ich zwar noch nicht, wer Richard Cirugue war, sagte aber gleich, dass die Idee mit den Matrikaten nur die ungewöhnliche Ähnlichkeit der Papageien erkläre. Mehr nicht. Beispielsweise bleibe nach wie vor unklar, wohin der tote Papagei von gestern verschwunden sei.
    »Stimmt«, pflichtete mir Edik bei. »Ich bestehe auch gar nicht darauf. Zumal Janus keinerlei Beziehung zur Biostereografie hat.«
    »So ist es«, sagte ich schon mutiger. »Vielleicht sollten wir eher von einer Reise in die beschriebene Zukunft ausgehen. Wisst ihr, was ich meine? Wie bei Louis Sedlovoi.«
    »Hm«, brummte Kornejew skeptisch.
    »Janus fliegt in irgendeinen fantastischen Roman, schnappt sich dort einen Papagei und bringt ihn mit hierher. Der Papagei geht ein, er fliegt wieder an denselben Ort und so weiter. Dann ist klar, warum die Papageien alle gleich aussehen – es ist ein und derselbe Papagei. Und warum er so einen Science-Fiction-Wortschatz hat, wäre damit auch klar. Und überhaupt«, fuhr ich fort, »kann man damit sogar erklären, warum Janus immerzu die gleichen Fragen stellt: Er hat jedes Mal Angst, nicht zum richtigen Tag zurückgekehrt zu sein. Das ist doch eine gute Erklärung, oder?«
    »Gibt es denn so einen fantastischen Roman?«, wollte Edik wissen. »In dem ein Papagei vorkommt?«
    »Keine Ahnung«, antwortete ich. »Aber in den Raumschif fen kommen alle möglichen Tiere vor. Katzen und Affen, Kinder. Außerdem gibt es im Westen unzählige Science-Fiction-Romane, so viele kann man gar nicht lesen.«
    »Hm … Erstens würde ein Papagei aus einem westlichen Science-Fiction-Roman kaum russisch sprechen«, meinte Roman. »Vor allem aber bliebe unklar, woher diese Weltraumpapageien – selbst wenn sie aus der sowjetischen Fantastik stammen – Leute wie Kornejew, Priwalow oder Oira-Oira kennen.«
    »Abgesehen davon«, sagte Vitka träge, »ist es etwas ganz anderes, ob man einen materiellen Körper in eine ideale Welt versetzt oder einen idealen Körper in eine materielle Welt. Ich bezweifle vor allem, dass ein Schriftsteller einen Papagei erschaffen kann, der imstande wäre, in der realen Welt selbstständig zu existieren.«
    Ich musste an die halb durchsichtigen Erfinder denken und fand keine Antwort.
    »Ich muss gestehen«, fuhr Vitka gönnerhaft fort. »Unser Sascha gibt Anlass zu den schönsten Hoffnungen. Seine Idee hat eine Spur von edlem Wahnsinn.«
    »Einen idealen Papagei würde Janus nicht verbrennen«, war Edik zutiefst überzeugt. »Ein idealer Papagei verwest nicht einmal.«
    »Aber warum?«, meldete sich Roman plötzlich zu Wort. »Warum sind wir so inkonsequent? Was hat Sedlovoi damit zu tun? Warum sollte Janus Poluektowitsch Sedlovoi nachahmen? Janus hat sein eigenes Thema und seine eigenen Aufgabenstellungen. Er befasst sich mit den parallelen Räumen. Gehen wir doch mal davon aus!«
    »Dann los«, sagte ich.
    »Du meinst, Janus hat Verbindung zu einem parallelen Raum aufgenommen?«, fragte Edik.
    »Das hat er schon vor langer Zeit. Warum soll er nicht noch weiter gegangen sein? Warum soll es ihm nicht gelingen, materielle Körper zu versetzen? Edik hat recht, es sind Matrikate, es müssen Matrikate sein, weil die völlige Identität des versetzten Gegenstandes garantiert sein muss. Die Art und Weise der Versetzung hängt von den Bedingungen des Experiments ab. Die ersten beiden Versetzungen miss langen: Die Papageien gingen ein. Heute dagegen scheint sein Experiment geglückt zu sein.«
    »Aber warum sprechen sie russisch?«, wunderte sich Edik. »Und woher haben die Papageien diesen Wortschatz?«
    »Weil es auch dort ein Russland gibt«, erklärte Roman. »Aber dort gewinnen sie ihr Rubidium schon im Riccius-Krater.«
    »Das ist doch alles an den Haaren herbeigezogen«, warf Vitka ein. »Wieso gerade Papageien? Warum keine Hunde oder Meerschweinchen? Warum nicht einfach Tonbandgeräte? Und woher wissen diese Papageien, dass Oira-Oira vergreist und Kornejew eine wertvolle Kraft ist?«
    »Ein Grobian«, sagte ich.
    »Ein Grobian, aber wertvoll. Und wo ist der krepierte Papagei abgeblieben?«
    »Hört zu«,