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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Anabiose verbringen, ohne Schaden zu nehmen. Die intelligentesten Vertreter unserer Klasse sind als große Mathematiker, Architekten und Soziologen in die Geschichte eingegangen. Wir haben uns eine ideale Gesellschaftsordnung geschaffen und gigantische Territorien erobert, wir sind überall. Stellen wir die Frage einmal so: Können die Menschen, die von allen Säugetieren am höchsten entwickelt sind, etwas, dessen wir nicht fähig wären? Sie prahlen gern damit, dass Sie imstande sind, Werkzeuge herzustellen und zu benutzen. Entschuldigen Sie, aber ich finde das lächerlich. Dabei muss ich immer an einen Krüppel denken, der sich seiner Krücken rühmt. Da bauen Sie sich unter unsäglichen Mühen Behausungen und verwenden dafür so widernatürliche Kräfte wie Feuer und Dampf, Sie bauen schon seit Jahrtausenden immer wieder anders, und können doch keine wirklich bequeme und vernünftige Art der Behausung finden. Die schäbigen Ameisen dagegen, die ich wegen ihres ungehobelten Charakters und ihrer kultischen Verehrung der physischen Kraft zutiefst verachte, haben dieses simple Problem schon vor Millionen von Jahren gelöst, und zwar ein für alle Mal. Sie hingegen rühmen sich Ihrer unentwegten Weiterentwicklung, der angeblich keine Grenzen gesetzt sind. Da können wir nur lachen. Sie suchen nach etwas, das längst gefunden und patentiert ist und das es seit unvordenklichen Zeiten gibt: nach einer vernünftigen Gesellschaftsordnung und dem Sinn des Lebens …«
    Mit professioneller Höflichkeit hörte Edik zu.
    »Ich bin natürlich kein großer Dialektiker«, meldete sich Fjodor, während er mit seinen prächtigen Zähnen an einem Kohlstrunk nagte. »Ich bin aber in der Vorstellung groß geworden, dass der menschliche Verstand die Krone der Schöpfung darstellt. Wir in den Bergen fürchten die menschliche Weisheit von alters her und verneigen uns vor ihr, und nun, da mir eine leidliche Bildung zuteilgeworden ist, werde ich nicht müde, die Kühnheit und den Scharfsinn zu bewundern, mit denen der Mensch die sogenannte zweite Natur erschafft. Der menschliche Verstand, das ist … das ist …« Er schüttelte den Kopf und verstummte.
    »Die zweite Natur!«, rief die Sprechende Wanze höhnisch. »Das dritte Element, das vierte Reich, der fünfte Zustand, das sechste Weltwunder …Ein großer Staatsmann der Menschheit könnte fragen: Wozu braucht ihr zwei Naturen? Die eine habt ihr versaut und wollt sie jetzt durch eine andere ersetzen … Ich sagte es bereits, Fjodor: Die zweite Natur, das sind die Krücken eines Krüppels. Und was den Verstand angeht: Es wäre besser, Sie würden nicht davon reden und ich brauchte nichts davon zu hören. Jahrtausendelang faseln diese mit einer Nährmischung gefüllten Trinkschläuche schon vom Verstand und können sich doch bis heute nicht darauf einigen, was das überhaupt ist. Nur in einem Punkt stimmen sie überein: Außer ihnen besitzt niemand Verstand. Was ist nämlich der Vorteil daran? Sobald es sich um ein winziges Geschöpf handelt, das man leicht mit einem chemischen Teufelszeug vertilgen oder mit dem Finger zerdrücken kann, macht man mit ihm nicht viel Federlesens. Natürlich besitzt ein solches Geschöpf Instinkte, primitives Reizempfinden, eine niedere Form der Nerventätigkeit … Das ist die typische Weltsicht selbstverliebter Schwachköpfe. Aber die Menschen haben ja so viel Verstand, sie müssen ja alles begründen, damit sie ein Insekt auch ohne Gewissensbisse zerdrücken können! Sehen Sie sich nur an, Fjodor, wie sie es begründen:Nehmen wir zum Beispiel eine Grabwespe, die ihre Eier in einem Nest ablegt und für ihre Nachkommenschaft Nahrung herbeischleppt. Was tun diese Banditen nun? Sie stehlen barbarisch die abgelegten Eier und beobachten dann mit der Genugtuung von Idioten, wie die unglückliche Mutter das leere Nest mit Zement verschließt. Wie dumm so eine Wespe ist, heißt es dann, sie weiß nicht, was sie tut, und deshalb sind ihre Instinkte blind. Verstehen Sie? Die Wespe besitzt keinen Verstand, sie darf notfalls mit dem Fingernagel zerquetscht werden. Merken Sie, wie bösartig hier die Begriffe vertauscht werden? A priori wird angenommen, das Lebensziel einer Wespe sei Vermehrung und Bewahrung der Nachkommenschaft, und wenn sie nicht einmal mit dieser für sie wichtigsten Aufgabe zurechtkommt, was soll man dann schon von ihr erwarten? Sie, die Menschen, haben ihren Kosmos-Mosmos, ihre Photo-Motosynthese, die armselige Wespe aber kümmert sich bloß um

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