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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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man aber nicht erwarten, dass verschiedene Arten und erst recht Klassen und Typen von Lebewesen ein und denselben großen Traum teilten. Es wäre albern anzunehmen, Fliegen träumten seit Generationen vom freien Flug, Kraken von den Meerestiefen und wir, Cimex lectularius, von der Sonne, die wir nicht ausstehen können. Jeder träumt von dem, was ihm unerreichbar, aber verheißungsvoll erscheint. Ein uralter Traum der Kraken ist bekanntlich die freie Bewegung auf dem Festland, und in ihrem nassen Element denken sie viel und lohnend darüber nach. Ein ewiger, unheilvoller Traum der Viren ist die absolute Weltherrschaft, und wie grausam die Methoden auch sein mögen, derer sie sich gegenwärtig bedienen, kann man ihnen doch Hartnäckigkeit, Erfindungsgeist und die Fähigkeit, sich für ein großes Ziel zu opfern, nicht absprechen. Und der hehre Traum der Spinnentiere? Vor Jahrmillionen sind sie unüberlegt aus dem Meer aufs Festland übergewechselt und sehnen sich seitdem danach, in ihre heimischen Gefilde zurückzukehren. Sie sollten einmal ihren Liedern und Balladen über das Meer lauschen! Es zerreißt einem das Herz. Im Vergleich zu diesen Balladen ist der Heldenmythos von Daidalos und Ikaros nur eine unterhaltsame Anekdote. Und was geschah? Sie haben tatsächlich einiges erreicht, und zwar auf höchst raffinierte Art und Weise (den Gliederfüßern sind überhaupt recht raffinierte Lösungen eigen). Sie machen ihren Traum wahr, indem sie neue Arten schaffen. Erst schufen sie die Wasserläufer und dann die Wasserspinnen, und zurzeit läuft die Entwicklung einer was seratmenden Spinne auf vollen Touren. Von uns Wanzen ganz zu schweigen. Wir haben unser Ziel schon vor langer Zeit erreicht: als sich nämlich diese mit Nährmischung gefüllten Trinkschläuche auf der ganzen Welt breitmachten. Verstehen Sie mich recht, Fjodor. Jeder Stamm mag seinen Traum haben. Aber man sollte den anderen Planetenbewohnern gegenüber nicht zu sehr mit seinen Errungenschaften prahlen, sonst läuft man Gefahr, sich lächerlich zu machen. Wem Ihre Träume fremd sind, betrachtet Sie als Hohlkopf, und wer seinen eigenen Traum längst verwirklicht hat, hält Sie für einen bedauernswerten Schwätzer.«
    »Ich kann Ihnen darauf nichts erwidern, Quasselstrippe«, sagte Fjodor. »Aber ich muss gestehen, dass es mir unangenehm ist, Ihnen zuzuhören. Erstens mag ich es nicht, wenn man auf der Hand liegende Dinge durch hinterhältige Haarspalterei zu widerlegen sucht, und zweitens bin ich schließlich auch ein Mensch.«
    »Sie sind ein Schneemensch. Sie sind das fehlende Glied. Bei Ihnen ist nicht viel zu holen. Wenn Sie’s genau wissen wollen, sind Sie nicht mal genießbar. Aber warum widerspricht mir kein sogenannter Homo sapiens? Weshalb tritt keiner für die Ehre seiner Art, seiner Klasse, seines Typs ein? Ich will es Ihnen verraten: weil es nichts dagegen einzuwenden gibt.«
    Der aufmerksame Edik überhörte die Provokation. Ich hätte sehr wohl einiges sagen können, wie mich dieser Schwätzer überhaupt über die Maßen ärgerte, aber ich hielt mich zurück, denn ich wusste, dass Fjodor Simeonowitsch gerade durch den magischen Kristall blickte und alles sah.
    »Lassen Sie mich etwas darauf erwidern«, begann Fjodor. »Jawohl, ich bin ein Schneemensch. Jawohl, es ist üblich, uns zu beleidigen. Uns beleidigen sogar die Menschen, unsere engsten Verwandten, unsere Hoffnung, das Symbol unseres Glaubens an die Zukunft. Nein, nein, Edik, lassen Sie mich ausreden. Uns beleidigen die unwissendsten und rückständigsten Schichten der menschlichen Gattung, indem sie uns den gemeinen Spitznamen Yeti geben, der Swifts Yahoo entspricht, oder den Namen Golubjawan, was so viel wie Riesenaffe oder abscheulicher Schneemensch heißt. Und auch die fortschrittlichsten Vertreter der Menschheit beleidigen uns, indem sie uns das ›fehlende Glied‹ oder ›Menschenaffe‹ nennen und uns noch andere, wissenschaftlich klingende, aber schmachvolle Namen geben. Vielleicht haben wir’s verdient, dass man die Nase über uns rümpft. Wir sind langsam im Denken und sehr anspruchslos; das Streben nach dem Höheren ist in uns nur schwach entwickelt, und unser Verstand schlummert noch. Aber ich glaube, ja, ich weiß, dass das ein menschlicher Verstand ist, für den die Umgestaltung der Natur – zunächst der uns umgebenden und später auch der eigenen – der höchste Genuss ist. Sie dagegen, Quasselstrippe, sind ein Parasit. Verzeihen Sie, aber ich gebrauche diesen

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