Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
einen ›steilen Zahn‹ bestiegen hat und ›auf ihm herumrammelt‹ und dass irgend einem ›Unglücksraben‹ ›der Magen hochkommt‹. Das ist eine wahre Plage, Edik. Manche bei uns werden krank davon, ja, die Schwächsten sterben sogar.«
    »Zu Hause habe ich ein Cembalo«, fuhr er träumerisch fort. »Es steht hoch oben auf einem Gletscher. In ruhigen, windstillen Mondnächten spiele ich gern darauf. Dann hören mich die Hunde im Tal und stimmen heulend mit ein. Wirklich, Edik, mir kommen die Tränen, so schön und so traurig ist das. Der Mond scheint, die Töne hallen durch das Land, und in weiter Ferne heulen ein paar Hunde …«
    »Und was sagen Ihre Artgenossen dazu?«, erkundigte sich Edik.
    »Von denen ist zurzeit keiner da. Nur ein Junge bleibt gewöhnlich bei mir zurück, aber der stört mich nicht; eins seiner Beine ist lahm. Aber das ist für Sie uninteressant.«
    »Im Gegenteil, mich interessiert das sehr.«
    »Nein, nein. Aber jetzt möchten Sie sicher erfahren, wie ich zu dem Cembalo gekommen bin. Stellen Sie sich vor, das haben Bergsteiger mitgebracht. Sie wollten einen Rekord aufstellen und ein Cembalo auf unseren Berg schleppen. Bei uns auf dem Gipfel finden Sie die erstaunlichsten Dinge. Da fällt es einem Bergsteiger ein, mit dem Motorrad zu uns heraufzukommen, und schon haben wir eins, wenn’s auch lädiert ist. Gitarren gibt’s da, Fahrräder, alle möglichen Büsten, ja sogar Fliegerabwehrkanonen. Ein Rekordjäger wollte unbedingt mit dem Traktor zu uns hoch, konnte aber nur eine Straßenwalze auftreiben. Wenn Sie wüssten, wie er sich damit abgestrampelt hat! Aber er hat es nicht geschafft bis zum ewigen Schnee. Fünfzig Meter weiter, und wir besäßen eine Straßenwalze.«
    Wir kamen zu einem Café, und Fjodor verstummte. Auf den hell erleuchteten Stufen der prächtigen steinernen Freitreppe drückte sich die »Sprechende Wanze« Quasselstrippe vor dem Drehkreuz herum. Quasselstrippe brannte darauf hineinzukommen, aber der Portier ließ ihn nicht. Der Sprechende Wanz war außer sich und verströmte wie immer, wenn er sich aufregte, einen starken, für Fjodor als Nichttrinker unangenehmen, Geruch nach teurem Kognak, und zwar nach Courvoisier. Ich machte Quasselstrippe auf die Schnelle mit Edik bekannt, setzte ihn in eine Streichholzschachtel und gebot ihm, sich ruhig zu verhalten, was er anfangs auch tat. Aber kaum hatten wir den Saal betreten und einen freien Tisch entdeckt, fläzte er sich auch schon auf einen Stuhl und trommelte auf den Tisch, um einen Kellner herbeizuzitieren. Er selbst aß und trank in dem Café natürlich nichts, dürstete aber nach Gerechtigkeit und absoluter Übereinstimmung zwischen der geleisteten Arbeit der Kellnerbrigade und dem hohen Titel, den sie für sich beanspruchte. Außerdem spuckte er große Töne vor Edik, wusste er doch, dass dieser extra seinetwegen, als sein künftiger Brötchengeber, nach Tmuskorpion gekommen war.
    Edik und ich bestellten uns Rührei auf Hausfrauenart, Krebssalat und trockenen Wein. Fjodor, den man in dem Café schon gut kannte, bekam rohe geriebene Kartoffeln, Mohrrübenkraut und Kohlstrünke, während man Quasselstrippe gefüllte Tomaten vorsetzte, die er aus Prinzip bestellt hatte.
    Als ich meinen Salat aufgegessen hatte, fühlte ich mich ebenso erniedrigt wie beleidigt, war hundemüde, brachte kaum noch ein Wort heraus und wollte nichts mehr sehen und hören. Außerdem zuckte ich dauernd zusammen, weil ich in dem Stimmengewirr immer wieder ein Winseln zu hören glaubte: »… die Füße zu waschen und das Wasser zu trinken … Dadrinne hat’s …!« Dafür war Quasselstrippe munter wie nie und demonstrierte Edik genüsslich seine philosophische Denkweise, sein souveränes Urteilsvermögen und seinen Hang zu Verallgemeinerungen.
    »Was für unnütze, unangenehme Geschöpfe!«, rief er, während er sich arrogant im Saal umsah. »Wahrhaftig, nur solche mit Minderwertigkeitskomplexen behaftete schwerfällige Wiederkäuer sind imstande, den Mythos in die Welt zu setzen, sie seien die Herren der Schöpfung. Ich frage mich: Wie kann ein solcher Mythos entstehen? Wir Insekten beispielsweise halten uns zu Recht für die Herren der Schöpfung. Wir sind zahlreich und allgegenwärtig, wir vermehren uns in Windeseile und vergeuden unsere kostbare Zeit viel weniger mit der sinnlosen Sorge um die Nachkommenschaft. Wir besitzen Sinnesorgane, von denen Wirbeltiere wie Sie noch überhaupt keine Ahnung haben. Wir können Jahrhunderte in

Weitere Kostenlose Bücher