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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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vor unserer Zeitrechnung, Stadt Konstantinow, Planet Konstantina, Stern Antares …«
    »Ich muss doch sehr bitten!«, fuhr Chlebowwodow dazwischen. »Was lesen du da? Vielleicht einen Roman? Oder ein Vaudeville? Bruderherz, du sollen einen Fragebogen vorlesen, aber was machen du draus? Ein Vaudeville.«
    Lawr Fedotowitsch nahm das Theaterglas und richtete es auf den Kommandanten. Der Kommandant wurde ganz klein.
    »In Sysran«, fuhr Chlebowwodow fort, »musste ich mal einen Lehrgang fürs mittlere Personal organisieren. Da hatten wir auch so einen: Der wollte nicht die Straße fegen. Ach nein, das war nicht in Sysran, sondern in Saratow. Ja, ja, genau, in Saratow! Erst hab ich da eine Schule für Grütze spezialisten aufgebaut, und dann sollte ich mich um den Lehr gang kümmern. Ja, in Saratow, im Winter ’52. Da herrschte ein Frost – wie in Sibirien. Ach nein«, sagte er bedauernd, »das war doch nicht in Saratow. Das war in Sibirien, aber in welcher Stadt, das habe ich vergessen. Gestern hab ich’s noch gewusst. Ach, schön war’s da.« Er verstummte mit krampfhaft aufgerissenem Mund.
    Lawr Fedotowitsch wartete eine Weile, erkundigte sich, ob es Fragen an den Vortragenden gebe, überzeugte sich davon, dass es keine gab, und empfahl Chlebowwodow fortzufahren.
    »Lawr Fedotowitsch«, fuhr Chlebowwodow mit Gefühl fort. »Ich habe vergessen, welche Stadt es war. Nichts zu machen – wie weggeblasen. Soll er erst mal weiterlesen, inzwischen wird’s mir schon einfallen. Aber er soll lesen, wie sich’s gehört, die Punkte benennen und nicht so leiern, sonst kommt nur Blödsinn dabei heraus.«
    »Tragen Sie weiter vor, Genosse Subo«, verlangte Lawr Fedotowitsch.
    »Punkt fünf«, las der Kommandant schüchtern. »Nationalität …«
    Farfurkis gestattete sich ein schwaches Zucken, hielt jedoch sofort erschrocken inne. Chlebowwodow aber entging das Zucken nicht; er befahl dem Kommandanten: »Von vorn. Von vorn! Fangen Sie noch einmal neu an!«
    »Punkt eins«, las der Kommandant. »Familienname …« Während er neu anfing, betrachtete ich Ediks Remoralisator. Es war ein flaches, glänzendes Gehäuse mit Glasscheiben, einem Spielzeugauto nicht unähnlich. Ich beobachtete erstaunt, wie geschickt Edik mit dem Gerät umging. Ich hätte das nicht gekonnt. Seine Finger bewegten sich wie Schlangen, und ich sah gebannt zu.
    »Cherson!«, brüllte Chlebowwodow plötzlich. »In Cherson war’s, jetzt hab ich’s. Sie können schon weiterlesen«, sagte er zu dem verschreckten Kommandanten. »Das ist mir bloß gerade eingefallen.« Er neigte sich zu Lawr Fedotowitschs Ohr und flüsterte ihm kichernd etwas zu, woraufhin sich die Züge des Genossen Wunjukow ein wenig lockerten und er sich gezwungen sah, diese demokratische Regung hinter seiner riesigen Pranke zu verstecken.
    »Punkt sechs«, las der Kommandant unsicher weiter. »Schul bildung: höhere syn…kre…kri…kretische.«
    Farfurkis zuckte zusammen und quiekte leise, wagte sich aber noch immer nicht zu mucksen. Chlebowwodow fuhr wie von der Tarantel gestochen auf. »Was? Was für eine Bildung?«
    »Eine synkretische«, wiederholte der Kommandant, diesmal in einem Atemzug.
    »Aha«, sagte Chlebowwodow und sah Lawr Fedotowitsch an.
    »Das ist gut«, stieß Lawr Fedotowitsch in wichtigem Ton hervor. »Das Volk liebt es selbstkritisch. Fahren Sie fort, Genosse Subo.«
    »Punkt sieben. Fremdsprachenkenntnisse: alle ohne Wörterbuch.«
    »Wie? Was?«, wunderte sich Chlebowwodow.
    »Alle«, wiederholte der Kommandant. »Ohne Wörterbuch.«
    »Soso, selbstkritisch …«, sagte Chlebowwodow. »Na schön, das prüfen wir nach.«
    »Punkt acht. Beruf und gegenwärtige Arbeitsstelle: Leser von Gedichten, Amphibrachist, zurzeit in Kurzurlaub. Punkt neun …«
    »Warten Sie«, bat Chlebowwodow. »Wo arbeitet er?«
    »Zurzeit hat er Urlaub«, erläuterte der Kommandant. »Kurzurlaub.«
    »So viel hab ich auch verstanden«, entgegnete Chlebowwodow. »Ich frage nach seinem Beruf.«
    Der Kommandant hob die Mappe an seine Augen. »Leser«, sagte er. »Offenbar liest er Gedichte.«
    Chlebowwodow schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich sagte nicht, ich sei taub«, erklärte er. »Dass er Gedichte liest, habe ich gehört. Na schön, dann liest er eben Gedichte, solange er es in seiner Freizeit tut. Ich rede von seinem Beruf! Wo und als was arbeitet er?«
    Wybegallo schwieg. Ich konnte mich nicht länger beherrschen.
    »Es ist sein Beruf, Gedichte zu lesen«, rief ich. »Er hat

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