Gesammelte Werke 6
Fedotowitsch aber beleckte sich den blassen Zeigefinger und warf die Papiere in seiner Schreibmappe heftig durcheinander, was bei ihm ein Zeichen äußerster Gereiztheit war. Ein Orkan kündigte sich an.
»Edik!«, flüsterte ich flehend.
Edik, der die Entwicklung der Ereignisse aufmerksam verfolgt hatte, riss den Remoralisator hoch und legte auf Lawr Fedotowitsch an. Dieser erhob sich und ergriff das Wort.
Er berichtete von den Aufgaben der ihm anvertrauten Troika, die sich aus ihrer gewachsenen Autorität und Verantwortung ergaben. Er rief die Anwesenden auf, einen noch unversöhnlicheren Kampf für die Verbesserung der Arbeitsdisziplin und gegen den Bürokratismus zu entfachen sowie für ein hohes moralisches Niveau aller und eines jeden, für gesunde Kritik und Selbstkritik, gegen die Verantwortungslosigkeit, für die Stärkung der Brandsicherheit, gegen die Überheblichkeit, für die persönliche Verantwortung eines jeden, für die vorbildliche Einhaltung der Berichtspflicht und gegen die Unterbewertung der eigenen Kräfte:
»Das Volk wird es uns danken, wenn wir diese Aufgaben noch aktiver angehen als früher. Das Volk wird es uns nicht verzeihen, wenn wir diese Aufgaben vernachlässigen und sie nicht aktiver angehen als früher. Welche konkreten Vorschläge gibt es, die Arbeit der Troika unter den veränderten Bedingungen zu organisieren?«
Nicht ohne Schadenfreude nahm ich die dürftige Ausbeute an konkreten Vorschlägen zur Kenntnis. Chlebowwodow schlug mit gewohnt großer Geste vor, dass jeder mehr Verpflichtungen übernehmen solle. Aufgrund der gestiegenen Autorität der Troika könne sich zum Beispiel der Kommandant Genosse Subo verpflichten, seinen Arbeitstag auf vierzehn Stunden zu verlängern, wohingegen der wissenschaftliche Berater Genosse Wybegallo auf seine Mittagspause verzichten könne. Diese Guerilla-Lösung traf jedoch auf wenig Begeisterung, im Gegenteil: Die Angesprochenen stellten sich ihr vehement, ja wütend entgegen. Es kam zu einem kurzen Schlagabtausch, in dessen Verlauf sich nebenbei herausstellte, dass es gerade Zeit für eine Mittagspause sei.
»Es gibt die Meinung«, schloss Lawr Fedotowitsch, »dass es Zeit ist zur Erholung und fürs Mittagessen. Die Sitzung der Troika wird auf achtzehn Uhr vertagt.« Dann wandte er sich mit höchstem Wohlwollen an den Kommandanten: »Also, Genosse Subo, Ihr Krokodil übergeben wir am besten dem Tiergarten. Was halten Sie davon?«
»Aber …!«, seufzte der tapfere Kommandant. »Lawr Fedotowitsch! Genosse Wunjukow! Bei Jesus Christus, unserem Heiland – in unserer Stadt gibt es doch gar keinen Tiergarten!«
»Bald wird es einen geben!«, versprach Lawr Fedotowitsch und scherzte in wahrhaft demokratischer Manier: »Wir haben einen Stadtgarten, wir haben einen Kindergarten, und nun werden wir auch bald einen Tiergarten haben. Aller guten Dinge sind drei.«
Der Ausbruch der vormittäglichen Lachsalve brachte Kusma dazu, sich ein zweites Mal danebenzubenehmen.
Lawr Fedotowitsch verstaute seine Vorsitzenden-Utensilien in der Aktentasche, stand auf und ging gemessenen Schritts auf den Ausgang zu. Chlebowwodow und Wybegallo rannten Farfurkis um, der nicht schnell genug geschaltet hatte, und rissen sich, jeder den anderen beiseitestoßend, darum, Lawr Fedotowitsch die Tür zu öffnen.
»Ein Beefsteak ist ein Stück Fleisch«, teilte Lawr Fedotowitsch ihnen gönnerhaft mit.
»Ein blutiges!«, rief Chlebowwodow zustimmend.
»Wieso denn ein blutiges?«, hörte man Lawr Fedotowitschs Stimme bereits aus dem Vorzimmer.
Edik und ich rissen alle Fenster auf. Von der Treppe her schallten die Worte zu uns herein: »Aber erlauben Sie mal, Lawr Fedotowitsch, ein Beefsteak, das nicht blutig ist, ist schlimmer als ein Glas Wodka, ohne was zu essen.« – »Die Wissenschaft meint, tjä, mit Zwiebeln, also …« – »Das Volk isst gern mal ein schönes Stück Fleisch, beispielsweise Beefsteak …«
»Die bringen mich noch ins Grab«, sagte der Kommandant besorgt. »Die sind schlimmer als Pest, Hungersnot und alle sieben ägyptischen Plagen zusammen.«
VORGANG NR. 15
… und eine auswärtige Sitzung
Die Abendsitzung fiel aus. Offiziell wurde uns mitgeteilt, Lawr Fedotowitsch sowie die Genossen Chlebowwodow und Wybegallo hätten sich beim Mittagessen mit Pilzen vergiftet und der Arzt habe ihnen bis zum nächsten Morgen Bettruhe verordnet. Der pedantische Kommandant jedoch misstraute der offiziellen Version; in unserem Beisein rief er im Hotelrestaurant
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